Neues Kamerasystem überwacht Destillation und hilft beim Energiesparen

23.05.2018 - Deutschland

Um chemische Gemische in ihre Einzelbestandteile aufzutrennen, ist in der Industrie die energieaufwendige Destillation gängig, etwa bei der Raffinerie von Rohöl. Forscher der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) entwickeln ein Kamerasystem, das diesen Prozess überwacht. Dabei misst es, ob es zu einer starken Tropfenbildung kommt, was sich negativ auf die Trennung der Komponenten auswirken kann. Die Technik könnte hier künftig automatisch gegensteuern, wenn sich Messwerte ändern. So ließe sich auch Energie einsparen. Auf der Prozesstechnik-Messe Achema in Frankfurt stellen sie die Technik vom 11. bis 15. Juni vor.

TUK/Thomas Koziel

Das System überwacht die Tropfenbildung bei der Destillation.

TUK/Thomas Koziel

Markus Lichti (links) und Jonas Schulz entwickeln das Kamerasystem.

TUK/Thomas Koziel
TUK/Thomas Koziel

Bei der Destillation werden Flüssigkeiten durch Verdampfen und darauffolgende Kondensation des Dampfes in ihre Bestandteile getrennt. Ein bekanntes Beispiel ist die Rohöl-Raffinerie, durch die sich das Rohöl in das schwersiedende Schweröl über Diesel, Petroleum bis hin zu den leichter siedenden Kerosinen oder Benzinen trennen lässt. „Dieses gängige Verfahren ist mit hohem Energieverbrauch verbunden“, sagt Jonas Schulz, der sich am Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik bei Professor Dr. Hans-Jörg Bart im Rahmen seiner Promotion mit dem Verfahren beschäftigt. Allein in den Vereinigten Staaten ist die Destillation für die Hälfte der Energiekosten bei thermischen Trennverfahren der chemischen Industrie verantwortlich. Dabei fallen jährlich Kosten von über 100 Milliarden US-Dollar an.

Die Ingenieure der TUK entwickeln eine Technik, mit der sich die Energieeffizienz künftig verbessern lässt. Sie setzen auf ein Kamerasystem, das den Prozess beobachtet. „Die Destillation in der chemischen Industrie findet in sogenannten Trennkolonnen statt“, sagt Markus Lichti, der ebenfalls am Vorhaben beteiligt ist. Hierbei handelt es sich um eine Art zylinderförmigen Apparat, in dem einzelne Böden, sogenannte Trennstufen, eingebaut sind. Diese können je nach Bedarf unterschiedlich gestaltet sein, etwa Böden mit siebförmiger Oberfläche.

Bei dem Trennverfahren handelt es sich um einen kontinuierlich Prozess, bei dem ganz am Anfang Dampf produziert wird, indem das zu trennende Gemisch zunächst in die Mitte der Kolonne zugeführt wird. Es läuft über die Böden nach unten und wird im unteren Bereich der Kolonne erhitzt. Als Dampf steigt es schließlich nach oben. Damit die Reaktion nicht abreißt, wird regelmäßig Gemisch nachgegeben. „Der Dampf erhitzt die Flüssigkeit wiederum, die daraufhin anfängt, zu sieden und als Dampf nach oben steigt“, erklärt Schulz das Prinzip. „Sie kühlt sich dabei wieder ab und sammelt sich als Flüssigkeit auf dem nächsthöheren Boden an.“ In der Folge verdampfen die Bestandteile der Flüssigkeit, die einen niedrigeren Siedepunkt haben erneut und wandern in der Kolonne nach oben zur nächsten Trennstufe. Dieser Prozess geht über mehrere Ebenen, bis sich auf dem obersten Boden die Flüssigkeit angesammelt hat, die am leichtesten siedet.

„Bei der Destillation kommt es immer wieder zu Verunreinigungen, da sich die Flüssigkeit nicht richtig in die Bestandteile auftrennt“, fährt Lichti fort. Ursächlich hierfür können unterschiedliche Faktoren sein, wie etwa ein zu hoher Dampfstrom, ein zu hoher Druck oder zu wenig Flüssigkeit im System. Dabei kann es etwa passieren, dass Flüssigkeit und Dampf auf dem Boden sehr stark vermischt werden, sodass viele Tropfen aus der flüssigen Phase durch den Dampf nach oben „mitgerissen“ werden. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von Entrainment, das vom Englischen „to entrain“ (deutsch: mitreißen) stammt. Die Tropfen wandern auf den nächsten Boden, wo sie bleiben – bei der Rohöl-Raffinerie könnten sich so zum Beispiel Teile des Schweröls beim Diesel ansammeln, was seine chemischen Eigenschaften wiederum verändert.

Das Kamerasystem der Kaiserslauterer Forscher kann hier künftig Abhilfe schaffen: Die Kamera befindet sich in einer Sonde, einem Rohr aus Edelstahl, das sie vor dem heißen Dampf schützt. Die Sonde wird über einen Zugang in die Trennkolonne eingeschoben. Dieser Zugang ähnelt vom Prinzip einer Schublade, in der die Sonde arretiert ist. Die Kamera erhält durch eine Glasscheibe einen Blick ins Innere der Kolonne. Um kontrastreiche Aufnahmen zu ermöglichen, ist direkt gegenüber noch die Technik für die Belichtung in einem weiteren Zugang untergebracht. „Unser System ist derart gestaltet, dass diese Einschübe an verschiedenen Stellen in der Trennkolonne positioniert werden können“, so Schulz. Auf diese Weise lässt sich der Prozess etwa am Rand oder in der Mitte untersuchen. „Mithilfe der Bilder sehen wir, wie groß die Tropfen sind oder wie schnell sie sich bilden“, sagt der Ingenieur weiter. „Mit unserer Technik können wir Parameter messen, die vorher nicht zu untersuchen waren.“ Die Kamera wird über eine Software gesteuert, die auch die Bilder auswertet und dabei das Entrainment ermittelt. Bislang gab es noch keine Untersuchungen dazu, wie dieser Prozess genau abläuft. Die hier gewonnenen Daten geben den Forschern unter anderem Aufschluss darüber, ob die Parameter bei dem Vorgang anders eingestellt werden müssen.

Künftig könnte die Industrie die Software für ein automatisches Regelsystem nutzen, das gegensteuert, wenn die Messwerte von der Norm abweichen und dabei auch hilft, etwa Heizleistungen einzusparen und so die Betriebskosten zu senken. Zudem ließe sich mit der Technik Material einsparen, wenn sich etwa zeigt, dass bestimmte Trennstufen nicht notwendig sind oder zu groß dimensioniert sind.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...