Neues Verfahren: Millimeterkleine mechanische Systeme durch reaktives Ionenätzen
Uhrenbestandteile aus Diamant
© Niels Quack / EPFL
Diamant ist dank seiner aussergewöhnlichen Härte, Elastizität, Wärmeleitfähigkeit und Transparenz ein bevorzugtes Material für viele mechanische und optische Anwendungen. Schwierig ist nach wie vor die Herstellung komplexer Formen mit einer Präzision im Mikrometerbereich (Tausendstel Millimeter). Niels Quack hat im Rahmen einer Förderungsprofessur des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) an der EPFL mit seinem Team ein Verfahren entwickelt, mit dem ein monokristalliner Kunstdiamant zu einem Mikro-Uhrenbestandteil geformt wurde. Es besteht aus einem Hemmungsrad mit einem Durchmesser von drei Millimetern und einem Anker.
Das Lausanner Team hat ein Verfahren optimiert, das als "reaktives Ionenätzen" bezeichnet und in der industriellen Produktion von Mikrochips verwendet wird. Damit konnten aus einem Kunstdiamanten dreidimensionale Formen geschnitten werden, die mit 0,15 mm Tiefe dreimal dicker waren als bisher. "Wir nähern uns damit den Standards in der Uhrenindustrie, wo eine Dicke von rund 0,2 mm ideal ist", erklärt Niels Quack. "Die Industrie interessiert sich für unser Verfahren und wir führen Gespräche mit einem Schweizer Uhrenunternehmen. Wir vermuten, dass der Diamant dank einer geringeren Reibung die Gangreserve erhöht, also die Funktionsdauer, bis die Uhr wieder aufgezogen werden muss. Diese Hypothese müssen wir allerdings noch überprüfen." Weitere Vorteile, die der Diamant für Uhren bieten würde: Das edle Material ist lichtdurchlässig, einfärbbar und nicht magnetisch, eine auf dem aktuellen Markt geschätzte Eigenschaft.
Industriepatent
Bisher konnten mit reaktivem Ionenätzen lediglich Strukturen von 0,05 Millimetern Dicke gefertigt werden: Die im elektrischen Feld beschleunigten Ionen (elektrisch geladene Atome) tragen nämlich nicht nur an den gewünschten Stellen Diamantschichten ab, sondern beschädigen auch die Maske, welche die gewünschte Form festlegt.
Die maximale Tiefe wird somit durch die Resistenz und die Dicke der Maske begrenzt. Innerhalb von weniger als sechs Monaten hat Adrien Toros, Assistent am Institut für Mikrotechnik der EPFL, eine zweischichtige Maske entwickelt: Die erste aus Aluminium, das gut auf dem Diamanten haftet, und darüber die zweite aus Siliciumdioxid, die dicker und widerstandsfähiger gegenüber den Ionen ist. Ergebnis: eine schnellere Bearbeitung mit fast vertikalen und deutlich tieferen Schnitten.
Mit Unterstützung von Innosuisse (früher KTI) wird das Team seine Zusammenarbeit mit dem Schweizer Kunstdiamanthersteller Lake Diamond fortführen, mit dem es ein Patent eingereicht hat. "Mit dieser neuen Technik können wir mittelfristig vielleicht Präzisionsteile im Mikrometerbereich herstellen und vermarkten und so unseren Tätigkeitsbereich erweitern", hofft Pascal Gallo, Direktor des Unternehmens.
In einem zweiten Projekt führt das Team die Erarbeitung von optischen Komponenten aus ultrareinem Diamant weiter, beispielsweise von Linsen, die Infrarotlicht durchlassen und in der Wärmebildgebung verwendet werden können, sowie Komponenten für industrielle Laserschneider.
"Als ich mein Projekt 2015 lancierte, war es überhaupt nicht auf industrielle Anwendungen ausgerichtet", erklärt Niels Quack. "Doch wir haben dieses Potenzial rasch erkannt und konnten dank der Unterstützung durch die Gebert Rüf Stiftung konkrete Anwendungen entwickeln. Für mich ist das ein perfektes Beispiel dafür, dass Grundlagenforschung häufig überraschende, für die Industrie interessante Anwendungen hervorbringt. Wichtig ist eine offene Haltung!"
Diese Forschungsarbeiten wurden an der EPFL im Rahmen einer SNF-Förderungsprofessur durchgeführt – ein Instrument, das künftig durch die SNSF Eccellenza Professorial Fellowhips ersetzt wird. Unterstützt wurden die Arbeiten ausserdem durch die Gebert Rüf Stiftung sowie das Unternehmen Lake Diamond in Yverdon-les-Bains (VD), das die monokristallinen Kunstdiamanten zur Verfügung stellte. Dessen Gründer und CEO, Pascal Gallo, ist Mitautor des Artikels. Die Komponenten wurden im Center of MicroNanotechnology der EPFL hergestellt.