Magnetwiderstand zweiatomiger Bleimoleküle beeinflusst
Mehr Kontrolle über den physikalischen Effekt könnte künftig die Datenspeicherung verbessern
© AG Bernd
Um immer größere Datenmengen von immer kleineren Festplatten abrufen zu können, sind leistungsfähige Leseköpfe unverzichtbar. Informationen sind auf Festplatten in Form kleiner Bereiche mit verschiedenen Ausrichtungen der Magnetisierung gespeichert. Diese Unterschiede im Magnetfeld wandelt der Lesekopf in verschiedene Widerstände um, die sich elektronisch leicht verarbeiten lassen. Um eine Widerstandsänderung zu erkennen und Informationen auszulesen, ist im Falle des Tunnelmagnetwiderstands neben der elektrischen Ladung der fließenden Elektronen auch ihre zweite Eigenschaft, der Spin, entscheidend.
Das Kieler Forschungsteam hat hingegen den anisotropen Tunnelmagnetwiderstands untersucht. Anisotrop bedeutet, dass die Widerstandsänderung von der Richtung des Stroms relativ zur Magnetisierung abhängt. Dieser Effekt kommt ohne die Spineigenschaft aus und kann so Bauelemente für die Speichertechnologie vereinfachen. Das Experiment der Kieler Wissenschaftler zeigt, dass sich damit auch auf molekularen Strukturen gespeicherte magnetische Informationen auslesen lassen könnten.
Atome verschieben im Rastertunnelmikroskop
Für ihr Experiment nutzte das Kieler Forschungsteam um Professor Richard Berndt ein Rastertunnelmikroskop (RTM). Damit lässt sich die geometrische Struktur metallischer Oberflächen bis auf Skala einzelner Atome untersuchen und zum Beispiel die Änderung des elektrischen Widerstands messen. Außerdem lässt sich mit seiner feinen Spitze die Struktur Atom-für-Atom manipulieren und so die physikalischen Eigenschaften eines Materials gezielt ändern. Gewissermaßen „handgemachte“ Moleküle lassen sich damit maßgeschneidert herstellen.
Mit dem RTM stellten die Kieler Physiker aus zwei Bleiatomen ein Molekül her, ein sogenanntes Bleidimer, um den schwachen Effekt des anisotropen Magnetwiderstands zu verstärken. Denn Blei besitzt aufgrund seiner hohen Kernladungszahl eine verhältnismäßig große quantenmechanische Spin-Bahn-Wechselwirkung. Das heißt, die räumliche Anordnung der Bleiatome beeinflusst die magnetischen Eigenschaften des Materials besonders stark. In einem zweiten Schritt gelang es den Wissenschaftlern mit dem RTM das Bleidimer auf eine Eisenoberfläche mit verschiedenen magnetischen Richtungen aufzubringen. „Blei ist selbst nicht magnetisch und lässt sich auf magnetischen Oberflächen gut bewegen“, erklärt Erstautor Dr. Johannes Schöneberg aus Berndts Arbeitsgruppe die Idee ihres Experiments. So konnten sie Bleidimere auf magnetisch unterschiedlichen Bereichen der Oberfläche und in verschiedenen Orientierungen positionieren.
Mit Bleiatomen magnetische Wechselwirkungen beeinflussen
In ihrem Experiment untersuchen die Forscher, wie sich der elektrische Widerstand in den verschiedenen Bereichen und Orientierungen jeweils ändert. Sie beobachteten je nach Ausrichtung des Dimers sowohl einen sehr starken als auch einen verschwindend geringen Magnetwiderstand. Um diese Ergebnisse zu verstehen, führte Dr. Paolo Ferriani aus der Arbeitsgruppe von Professor Stefan Heinze numerische, quantenmechanische Berechnungen auf den Supercomputern des Norddeutschen Verbunds für Hoch- und Höchstleistungsrechnen (HLRN) durch. „Damit konnten wir zeigen, dass die Widerstandsänderung stark davon abhängt, wie die Achse des Dimers und seine Spinrichtung zueinander orientiert sind“, so Ferriani.
Für einen gezielten Einsatz im neuen Forschungsgebiet der Spinelektronik sind die untersuchten Bleidimere jedoch noch nicht geeignet. Ihre Experimente mussten die Kieler Physiker unter besonderen Voraussetzungen bei -269°C durchführen, da die Dimere bei Raumtemperatur nicht stabil sind. Ihre Arbeiten unter Laborbedingungen zeigen aber, dass „handgemachte“ Strukturen auf atomarer Skala ein großes Potential haben, um Magnetwiderstände zu kontrollieren.