Bestimmt Ordnung oder Unordnung die Katalyse?

Wichtige Vereinheitlichung in der Beschreibung von chemisch-katalytischen Prozessen gelungen

18.07.2018 - Deutschland

Kaum ein chemischer Prozess kommt heute noch ohne Katalyse aus. Die überwiegende Mehrzahl aller Herstellungs- und Umwandlungsprozesse in der Chemischen Industrie laufen katalytisch ab. Ein wichtiger katalytischer Prozess ist die Umwandlung von Luftsauerstoff zu Wasser. Diese Reaktion wird unter anderem in der Sensorik oder auch in der Korrosionstechnologie eingesetzt. Besondere Bedeutung hat er vor allem für die Technologie der chemischen Energiespeicherung und Energiewandlung in Batterien und Brennstoffzellen. Die leistungsfähigsten Katalysatoren für diese Reaktion bestehen aus Legierungen des teuren und seltenen Elements Platin. Seit Jahren ist bekannt, dass Platinlegierungen, deren Oberflächen eine exakt definierte strukturelle Ordnung der Atome einhalten, sehr aktive Katalysatoren darstellen.

„Zur Verblüffung der Wissenschaft zeigen Forschungen der letzten Jahre jedoch auch, dass strukturell völlig ungeordnete Varianten solcher Platinlegierungen, entstanden durch Abnutzung und Alterung der Katalysatoren, eine ebenso hohe katalytische Aktivität aufweisen“, erläutert Prof. Dr. Peter Strasser, Fachgebietsleiter „Elektrochemische Katalyse und Materialien“ an der TU Berlin. „Diese beiden Beobachtungen schienen jedoch unvereinbar.“

Nun ist es dem Team der TU Berlin um Peter Strasser in enger Zusammenarbeit mit französischen Kolleginnen und Kollegen der Universität Grenoble Alpes und des dortigen Centre nationale de la recherche scientifique (CNRS), mit Schweizer Kolleginnen und Kollegen der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts sowie mit deutschen Kolleginnen und Kollegen der TU Dresden gelungen, eine umfassendere Beschreibung dieser beiden Katalysator-Typen und ihrer Reaktion zu entwickeln, welche die Widersprüche aufzuklären vermag.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Verzerrung der Oberflächenstruktur (Distortion), ein struktureller Parameter, der die Unordnung in der Anordnung der einzelnen Atome auf der Platinoberfläche beschreibt und beide Katalysatortypen einschließt. Die streng einheitliche Anordnung der Metallatome liefert für diese Reaktion die besten Voraussetzungen für hohe katalytische Reaktivität. Strukturelle Unordnung bietet jedoch die breiteste atomare Diversität an der Oberfläche und damit viele verschiedene atomare Anordnungen, von denen eine kleine Zahl ebenfalls sehr aktiv sein kann. Dies führt in Summe ebenfalls zu hoher katalytischer Reaktivität. Anschaulich könnte man das mit einem Wurf auf einen Basketballkorb vergleichen: Ein Profi-Spieler bekommt einen Versuch und wirft einen Korb. Das entspräche einer kleinen Anzahl definierter Muster der Atome an der Katalysatoroberfläche. Im Vergleich dazu hat eine ganze Schulklasse, bei der alle Kinder gleichzeitig auf Körbe werfen, statistisch eine ähnlich hohe Wahrscheinlichkeit, mindestens einen Korb zu werfen, wie der Profi mit einem Wurf. Das entspräche einer großen Zahl unterschiedlicher Muster der Atome an der Katalysatoroberfläche.

Die jetzt in Nature Materials veröffentlichten Experimente belegen: Eine Vergrößerung der Oberflächenverzerrung ist der Schlüssel zum Verständnis der Alterungsprozesse von anfänglich wohl geordneten, aktiven Katalysatoren, aufgrund welcher sie sich in ungeordnete, aber immer noch aktive Katalysatoren verwandeln.

Schließlich erlaubt die vereinheitlichte Beschreibung der beiden Katalysatoren-Typen nicht nur ein tieferes Verständnis der Funktionsweise bekannter Katalysatoren, sondern stellt auch eine Möglichkeit dar, neuartige, noch leistungsfähigere Katalysatoren für zukünftige Energiespeicher- und wandlungstechnologien vorherzusagen.

Originalveröffentlichung

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