Mit Elektronenstrahlstrukturierung zu höchstauflösenden OLED-Vollfarbdisplays
© Fraunhofer FEP
Circa 88 Mal am Tag schaut der durchschnittliche Smartphone-Nutzer auf ein Display. Nicht eingerechnet der Blick auf die kleineren Smart Watches oder andere Anzeigeelemente. Displays in unterschiedlichsten Arten sind allgegenwärtig und im täglichen Leben bald unersetzlich.
Rückt man den Fokus auf die Welt der OLED-Mikrodisplays, findet man sich schnell bei den aktuellen und künftigen Anwendungen in Datenbrillen für die Darstellung virtueller (VR) und erweiterter Realität (Augmented Reality, AR) wieder, deren Kernstück das Mikrodisplay darstellt. Nicht nur seit dem Hype um Pokémon Go hat jedermann eine Vorstellung davon, was AR bedeutet - zusätzliche Informationen, mit denen man interagieren kann, werden in die tatsächlich reale Welt eingeblendet. Neben dem industriellen Einsatz in der Produktion 4.0, in der Medizin oder der Unterhaltungselektronik haben sich AR- und VR-Anwendungen seit Jahren ebenfalls in der Werbung und im Bildungssektor etabliert. Vorbei könnten bald die Zeiten der klobigen Audio-Guides in Museen sein. Und das nicht nur über bisherige Lösungen mit Tablets oder Smartphones. Leichte Head-Up-Displays können Ausstellungen durch eingeblendete Filmszenen, Töne und auch Interaktion zu großartigen Lernwelten erweitern und einen Museumsbesuch nachhaltiger gestalten.
Durch geringe Bautiefe aufgrund der selbstleuchtenden Eigenschaften der OLED und der hervorragenden Kontrastverhältnisse greifen Hersteller zunehmend auf OLED-Mikrodisplays für AR/VR-Brillen zurück. Das Fraunhofer FEP ist seit Jahren mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Technologie beschäftigt. Weiterhin gilt es, noch einige technologische Herausforderungen zu meistern, um das ganze Potenzial der OLED-Technologie für den Einsatz in nutzerfreundlichen Datenbrillen oder anderen AR/VR-Anwendungen zu nutzen. Sehr hohe Helligkeiten und Effizienz, gute Ausbeuten bei großer (Chip-) Fläche, gekrümmte Oberflächen, integrierte Augenverfolgung und transparente Substrate sind einige Aufgabenstellungen, die noch auf der Agenda der Forscher stehen.
Aktuell steht man in der OLED-Technologie vor der Hürde, dass Vollfarbdisplays nur durch Einsatz von Farbfiltern oder Schattenmasken realisierbar sind. Diese schränken die Effizienz bzw. die Auflösung der OLED ein. Mit Hochdruck wird an neuen Ansätzen geforscht, mit denen die Mikrodisplays hochauflösend und gleichzeitig effizient und langlebig hergestellt werden können. Dabei stellt die Strukturierung der organischen Schichten in den OLED eine der größten Herausforderungen dar, da konventionelle Methoden (z. B. Photolithographie) bei organischen Halbleiter-Materialien nicht anwendbar sind. Vor zwei Jahren wurde bereits erfolgreich der Einsatz von Elektronenstrahltechnologie zur Mikrostrukturierung am Fraunhofer FEP demonstriert. Mit dem patentierten Verfahren gelang es, eine komplette OLED durch ihre Verkapselung hindurch zu strukturieren und so beliebige Strukturen und auch hochauflösende Bilder in Graustufen zu erzeugen.
Jetzt gelang die Weiterentwicklung des Elektronenstrahlverfahrens, die nun auch eine vollfarbige OLED- Strukturierung ohne Farbfilter erlaubt. Um rote, grüne und blaue Pixel zu erzeugen, wird eine organische Schicht der OLED selbst mit einem thermischen Elektronenstrahlprozess strukturiert. Diese Strukturierung bewirkt eine Änderung in der Dicke des Schichtstapels, womit die Emission von verschiedene Farben möglich wird. Damit ist ein erster großer Schritt zur Entwicklung von Vollfarbdisplays ohne den Einsatz einschränkender Farbfilter im Prozess gelungen. Elisabeth Bodenstein, Entwicklerin im Projektteam des Fraunhofer FEP erklärt die Vorteile: „Mit unserem Elektronenstrahl-Verfahren ist es möglich, auch solche sensiblen, organischen Materialien thermisch zu strukturieren, ohne darunterliegende Schichten zu schädigen.“
Die Ergebnisse wurden über Simulationen und initiale Schätzung der HTL-Dicken (Hole Transport Layer) erreicht, die man mit dem Elektronenstrahl strukturiert. Die Forscher erzielten tatsächlich die Auskoppelung von Rot, Grün und Blau aus der weißen OLED. Mit Prinzipnachweisen am Fraunhofer FEP konnten auf ersten Testsubstraten die Farben bei vergleichbarer Performance der OLED demonstriert werden.
Neben der Nutzung dieses neuen Verfahrens für OLEDs kann die Elektronenstrahlstrukturierung auch für andere Anwendungen der organischen Elektronik oder für anorganische Schichten genutzt werden. Darüber hinaus ist ein Mikrostrukturierungsprozess mittels Elektronenstrahl sehr flexibel auch in Bereichen der Photovoltaik, MEMS und Dünnschichttechnik einsetzbar.
Nun stehen die Wissenschaftler mit den vielversprechenden Vorarbeiten vor den nächsten Meilensteinen. Oberstes Ziel ist es, in den kommenden Jahren gemeinsam mit Partnern die Herstellung von OLED-Mikrodisplays mit dieser neuen Methode zu entwickeln und durch Lizenzierung in der Industrie zu etablieren. Hierfür sollen unter anderem die Strukturen noch weiter miniaturisiert und die Prozessoptimierung gemeinsam mit interessierten Partnern aus der Industrie vorangetrieben werden. Im nächsten Schritt ist die Integration der Mikrostrukturierung in bestehende Prozessabläufe geplant, um hier weiteres Know-How für und mit Industriepartnern zu gewinnen. Damit soll der künftige Transfer der Testergebnisse in eine bestehende Prozesslinie erarbeitet werden um eine spätere Etablierung der Technologie auf Industrieniveau zu ermöglichen.
Begleitend dazu planen die Wissenschaftler eine erweiterte Simulation der OLED. Mit einer Anpassung von Materialien und Schichtdicken soll das Farbspektrum der OLED noch verbreitert werden. Perspektivisch soll so der Einsatz der Displays in Datenbrillen z.B. für Spezialanwendungen in der Industrie oder Medizin über diesen Prozess eröffnet werden.
Die Resultate der neuen Technologie sind innerhalb eines von der Fraunhofer-Gesellschaft geförderten Projektes entstanden. Nun stehen die Wissenschaftler des Institutes für konkrete Weiterentwicklungen der Technologie im Rahmen von Partnerschaften und Projektarbeiten gemeinsam mit Display-, Anlagen-, Material-, oder Systemherstellern bereit. Die Ergebnisse werden während des International Meeting on Information Display - IMID 2018, vom 29. bis 31. August 2018 in Busan, Südkorea, am Stand Nr. 50 des Fraunhofer FEP und zur Postersession III präsentiert.