Ungeahnte Einblicke in die Nanokatalyse
Forscher stellen Periodensystem für Übergangsmetalle auf den Kopf
Abbildung: Materialwissenschaftliche Elektronenmikroskopie
Lange Zeit galt die Beobachtung der Katalyse auf der atomaren Ebene, bei der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion erhöht wird, als unmöglich: Zu ungleichförmig ist die Struktur der Nanocluster, auch innerhalb der gleichen Probe, und zu dynamisch ist ihr Verhalten während der chemischen Reaktion. Eine deutsch-britische Forschergruppe um Professorin Ute Kaiser (Universität Ulm) sowie Professorin Elena Besley und Professor Andrei Khlobystov (University of Nottingham) hat jedoch ein neues Verfahren, basierend auf der hochauflösenden Niederspannungs-Transmissionselektronenmikroskopie, entwickelt, das ungeahnte Einblicke erlaubt: Dabei dient der Elektronenstrahl nicht nur der Bildgebung, sondern auch als Energiequelle, die die Reaktion antreibt. Im Experiment werden so Beobachtungen der Nanokatalyse in atomarer Auflösung auf einer Zeitskala möglich.
Mit diesem kürzlich publizierten Verfahren hat die Forschergruppe, allen voran der Ulmer Erstautor Kecheng Cao, 14 in Kohlenstoffnanoröhren eingebettete Übergangsmetall-Nanokatalysatoren vergleichend analysiert. Dabei gelang es, die Strukturänderungen der Metall-Nanocluster und die Bildung neuer Metall-Kohlenstoffbindungen in atomarer Auflösung nachzuvollziehen. Katalytische Reaktionen konnten die Forscher sogar in Echtzeit beobachten.
„Mithilfe der aberrationskorrigierten Niederspannungs-Transmissionselektronenmikroskopie in Kombination mit Kohlenstoffnanoröhren als Testreaktoren konnten wir erstmals systematisch die Veränderungen von Metall-Nanoclustern auf der atomaren Ebene analysieren, die durch ihre katalytische Aktivität ausgelöst werden. Unsere umfangreiche Untersuchung ermöglicht grundlegende Schlussfolgerungen für das Verständnis der Katalyse. Insgesamt legen unsere Ergebnisse eine neue Klassifikation der Übergangsmetalle im Periodensystem, ausgehend von ihrer katalytischen Aktivität, nahe“, resümiert Professorin Ute Kaiser, Leiterin der Materialwissenschaftlichen Elektronenmikroskopie an der Universität Ulm und Honorarprofessorin an der University of Nottingham.
Kohlenstoffnanoröhren als Testreaktoren
Bei den mikroskopischen Untersuchungen spielen die Kohlenstoffnanoröhren, deren Wände nur ein bis zwei Nanometer dünn sind, eine Schlüsselrolle. Viele Metall-Nanocluster reagieren nämlich sehr empfindlich auf Luft, was vergleichende Analysen bisher erschwerte. Erst durch ihre Einbettung in die Kohlenstoffnanoröhren, die 10.000 mal dünner als ein Haar und fester als Stahl sind, wurden die nun durchgeführten Untersuchungen möglich. „Unsere Studie zeigt, dass Metall-Nanocluster, die in Kohlenstoffröhrchen eingebettet sind, eine universelle Forschungsplattform für die metallorganische Chemie darstellen. Dieser experimentelle Aufbau ermöglicht den direkten Vergleich der Bindung und Reaktivität verschiedener Übergangsmetalle sowie die Aufklärung der Struktur-Eigenschaftsbeziehungen von Nanokatalysatoren. Unsere Erkenntnisse können also entscheidend zur Optimierung künftiger Katalysatoren beitragen“, sagt Elena Besley, Professorin für theoretische und computergestützte Chemie an der University of Nottingham.
Insgesamt konnte die deutsch-britische Forschergruppe zeigen, dass die Eigenschaft von Metallen durch ihre elektronische Struktur bestimmt wird. Ausgehend von ihren Untersuchungen schlagen sie zudem ein überarbeitetes Periodensystem der Übergangsmetalle auf der Nanoskala für die Katalyse vor.
Ihre Ergebnisse sind für die Grundlagenforschung sowie für die Anwendung gleichermaßen bedeutsam. Zum einen haben die Forscher neue Erkenntnisse über die Wechselwirkung von Elektronenstrahl und Materie gewonnen. Zum anderen tragen sie zu einem tieferen Verständnis der Nanokatalyse bei und ermöglichen eine Vorhersage des Verhaltens von Übergangsmetallen bei katalytischen Reaktionen mit Kohlenstoff. Nach wie vor beruhen zahlreiche industrielle Prozesse auf der Katalyse und Schätzungen gehen davon aus, dass katalytische Reaktionen 30 bis 40 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts ausmachen.
Originalveröffentlichung
Kecheng Cao, Thilo Zoberbier, Johannes Biskupek, Akos Botos, Robert L. McSweeney, Abdullah Kurtoglu, Craig T. Stoppiello, Alexander V. Markevich, Elena Besley, Thomas W. Chamberlain, Ute Kaiser & Andrei N. Khlobystov; "Comparison of atomic scale dynamics for the middle and late transition metal nanocatalysts"; Nature Communications; 2018