Deutschland verliert den Sitz eines seiner angesehensten Industrieunternehmen

USA genehmigen Linde-Praxair-Fusion unter Auflagen

23.10.2018 - USA

(dpa) Die US-Kartellbehörde hat die von den Arbeitnehmern befehdete Fusion des Industriegaseherstellers Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair unter hohen Auflagen genehmigt. Die Federal Trade Commission betonte am Montag in Washington, dass Linde und Praxair sich aus neun Teilbereichen des Industriegasgeschäfts zurückziehen sollen. Linde erklärte in einer Ad-hoc-Mitteilung in München, diese Auflagen bis Januar umsetzen zu wollen. Bis die Bedingungen erfüllt sind, müssen Linde und Praxair ihre Geschäfte weltweit getrennt voneinander führen. Die IG Metall und die Chemiegewerkschaft IG BCE kritisierten die Fusion scharf.

Ansonsten wollen die beiden Unternehmen den Zusammenschluss nun zügig über die Bühne bringen: Bis 31. Oktober können die Aktionäre ihre Papiere gegen die Aktien des fusionierten Unternehmens eintauschen, wie Linde erklärte.

Die US-Wettbewerbshüter hatten alle Beteiligten auf die Folter gespannt, weil die aktienrechtlich erlaubte Frist für die Fusion am 24. Oktober abläuft. Linde und Praxair wollen gemeinsam den französischen Rivalen Air Liquide übertrumpfen und weltgrößter Hersteller von Industriegasen werden.

Die EU-Kommission hat bereits ihre Zustimmung erteilt. Gemeinsam würden der Münchner Traditionskonzern und sein US-Konkurrent Praxair ein Viertel des Weltmarkts beherrschen - mit rund 80.000 Mitarbeitern und gut 24 Milliarden Euro Jahresumsatz.

Wenn der Zusammenschluss nun wie geplant über die Bühne geht, verliert Deutschland gegen den Widerstand der Arbeitnehmer damit den Sitz eines traditionsreichen Industriekonzerns. Die Gewerkschaften machen sich Sorgen um die Arbeitsplätze. «Dieser Zusammenschluss rechnet sich nicht - weder für die Aktionäre, noch für die Beschäftigten, noch für den Industriestandort Deutschland», erklärte Michael Vassiliadis, Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE in Hannover.

Linde beschäftigt nach Gewerkschaftangaben in Deutschland rund 7000 Menschen. «Die ökonomische Sinnhaftigkeit dieser Transaktion ist zweifelhaft, Ertrag und Kosten stehen in keinem Verhältnis», kritisierten IG Metall-Chef Jörg Hofmann und Vassiliadis.

Das neue Unternehmen soll zwar nach wie vor Linde heißen, doch als Chef vorgesehen ist der Praxair-Vorstandsvorsitzende Steve Angel. Er soll den Konzern künftig von Danbury in den USA aus führen. Unternehmenssitz soll die irische Hauptstadt Dublin werden - dort sind die Steuern niedriger.

Der langjährige Linde-Vorstandschef und heutige Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle soll Aufsichtsratschef des neuen Weltmarktführers werden. Er hatte die Fusion gegen den heftigen Widerstand der Arbeitnehmer im Linde-Aufsichtsrat vorangetrieben.

Das Münchner Traditionsunternehmen hatte schon im Juli bekanntgegeben, dass sein Massengeschäft in den USA sowie Geschäft in Kanada und Südamerika an den hessischen Gasekonzern Messer und den Finanzinvestor CVC verkauft werden. Den US-Kartellwächtern war das aber zu wenig. Deshalb besserte Linde nach.

Praxair wiederum verkauft sein Europageschäft an den japanischen Konkurrenten Nippon Sanso. Die US-Kartellbehörde fürchtete unter anderem eine marktbeherrschende Stellung bei des fusionierten Konzerns bei flüssigem Sauerstoff, flüssigem Kohlendioxid und flüssigem Stickstoff.

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