Flüssige Salze als überlegene Lösungsmittel
Katharina Schröder
Lösungsmittel, die nicht verdampfen
Salze bestehen aus Ionen – das sind positiv und negativ geladene Atome oder Moleküle, die einander aufgrund ihrer unterschiedlichen Ladungen anziehen und allein dadurch zusammengehalten werden. Flüssige Salze werden daher auch „Ionische Flüssigkeiten“ genannt. „In den letzten 20 Jahren stieg das Interesse an Ionischen Flüssigkeiten rasant, sowohl in der akademischen Forschung als auch in der Industrie“, sagt Katharina Schröder im Gespräch mit scilog. „Besonders in der nachhaltigen Chemie sind sie interessant, weil sie nicht verdampfen.“ So gelangen keine Schadstoffe in die Atmosphäre. Außerdem sind Salze nicht brennbar, elektrisch leitend und haben noch eine Reihe weiterer Vorteile. Das hat auch die Aufmerksamkeit der Chemischen Industrie erweckt, wo Ionische Flüssigkeiten bereits in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, etwa zur Entfernung von Quecksilber aus Erdgas. „Dieser Prozess läuft großtechnisch in Malaysia und wird weltweit lizensiert“, berichtet Schröder.
Ionische Flüssigkeiten und Wasser
Ein Nachteil Ionischer Flüssigkeiten ist ihr hoher Preis, zumindest im Vergleich zu klassischen organischen Lösungsmitteln wie Aceton oder Methanol. Außerdem können Ionische Flüssigkeiten sehr dickflüssig sein, vergleichbar mit Honig, was ebenfalls Nachteile in der Verarbeitung mit sich bringt. Es stellte sich also die Frage, ob Ionische Flüssigkeiten irgendwie mit anderen Lösungsmitteln gemischt werden können. „Wasser ist natürlich aus Kosten- und Umweltschutzgründen ein gutes Lösungsmittel, hat aber den Nachteil, dass viele Substanzen sich darin nicht lösen lassen“, sagt Schröder. Es stellte sich die Frage, ob Ionische Flüssigkeiten mit Wasser gemischt werden können, um die Vorteile beider Substanzen zu kombinieren. Konkret setzte die Wissenschafterin dabei auf sogenannte „oberflächenaktive“ ionische Flüssigkeiten. Diese verhalten sich in Wasser ähnlich wie Seife und bilden zusammenhängende Strukturen, analog zu den von der Seife bekannten „Mizellen“.
„Wir haben uns verschiedene Anwendungen mit diesen Mischungen angesehen“, erklärt Katharina Schröder. „Was wir dabei gesehen haben, war, dass bestimmte Reaktionen in Mischungen aus Wasser und Ionischen Flüssigkeiten deutlich schneller ablaufen als in reinem Wasser oder in reinen ionischen Flüssigkeiten.“ So ließ sich die Menge an den teuren flüssigen Salzen teilweise auf ein Hundertstel reduzieren.
Oberflächenaktiv wie Seife
Entscheidend sei dabei die Oberflächenaktivität gewesen, sagt Schröder. „Die im Wasser gebildeten Strukturen zu erforschen war nicht ganz einfach und wir setzten auf Kooperationen“, so die Forscherin. Involviert waren unter anderem die Gruppe „Dynamik Kondensierter Systeme“, das Institut für Computergestützte Biologische Chemie an der Universität Wien und die Universität für Bodenkultur Wien. Dazu kamen internationale Kooperationen mit den Universitäten Regensburg, Ljubljana und Belfast.
„Nachdem die ersten Ergebnisse in der organischen Synthese sehr vielversprechend waren, haben wir uns verschiedene Anwendungen angesehen“, erzählt die Chemikerin. Ein Beispiel ist die Extraktion eines teuren, in der Pharmazie wichtigen Stoffs, der aus dem Abfall von Olivenbäumen gewonnen wird. „Das war eine Kooperation mit Partnern in Portugal, wo in der Agrarindustrie große Mengen Blätter von Olivenbäumen anfallen. Wir haben einen neuen Prozess für die Extraktion der wertvollen Inhaltsstoffe erforscht, mithilfe Ionischer Flüssigkeiten.“ Nach der erfolgreichen Anwendung auf Naturstoffe hat Schröders Gruppe gezeigt, dass sich oberflächenaktive Ionische Flüssigkeiten auch erfolgreich in der Metallkatalyse oder zur Wasserspaltung anwenden lassen.
Durchbruch für Schröder
Das Projekt, das eine Laufzeit von vier Jahren hatte und Ende 2017 abgeschlossen wurde, bedeutete für Katharina Schröder den Durchbruch als Wissenschafterin. „Ich konnte damit meine ersten eigenständigen Doktoratsstudentinnen anstellen und so eine Forschungsgruppe aufbauen. Mit so einem Projekt steht und fällt eine Karriere“, betont Schröder, die zu Beginn des Projekts eine befristete Stelle innehatte und inzwischen habilitiert ist.
Mittlerweile ist der Einsatz von ionischen Flüssigkeiten in verschiedenen Anwendungsbereichen durch zahlreiche national und international geförderte Projekte in ihrer Gruppe gut etabliert. In einem neuen FWF-Projekt, das auf einem Ergebnis des abgeschlossenen Projekts aufbaut, beschäftigt sich Katharina Schröder nun mit „chiralen“ ionischen Flüssigkeiten, die wie die Milchsäuremoleküle in Joghurt linksdrehend oder rechtsdrehend sein können und genutzt werden könnten, um Substanzen in ihren linksdrehenden und rechtsdrehenden Anteil zu zerlegen oder diese selektiv herzustellen.