Alarmierende Zahlen: 2030 wird es weltweit 80 Prozent mehr Plastikmüll geben als heute
Recycling für Chemieindustrie ein Wirtschaftsfeld mit großem Potenzial
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Weltweit wurden 2016 der Analyse zufolge rund 260 Mio. Tonnen Plastikmüll produziert. Mehr als die Hälfte davon – 150 Mio. Tonnen - entfielen auf so genannte kurzlebige Anwendungen. Dazu zählen Plastikverpackungen wie Tüten, Wegwerfbecher, Strohhalme, Folien oder Einwegflaschen. 110 Mio. Tonnen Plastikmüll wurden durch „langlebige Anwendungen“ verursacht. Dazu zählt Plastik, das erst nach mehrjährigem Gebrauch auf dem Müll landet, z.B. in Form von Stoßstangen, Fensterrahmen oder Rohren aus PVC. Nur gut 16% (40 Mio. Tonnen) des gesamten Plastikmülls wurden für Recycling gesammelt. Die restlichen 220 Mio. Tonnen wurden zu 25% verbrannt oder landeten zu 40% (105 Mio. Tonnen) auf Landdeponien oder zu 20% (50 Mio. Tonnen) unreguliert in der Umwelt auf Müllkippen oder in den Weltmeeren, mit teils verheerenden Konsequenzen für die Natur.
Immer mehr Plastikmüll – doch Recyclingquote verbessert sich
McKinsey geht davon aus, dass die weltweite Menge Plastikmüll bis 2030 um rund 80% auf dann 440 Mio. Tonnen steigen wird. „Viele aufstrebende Volkswirtschaften haben Nachholbedarf: Die Zahl an Autos sowie deren Konstruktionsweise, und Konsumgüterprodukten sowie der Wohnungsbau in Städten werden gerade in Asien und Afrika enorm zunehmen“, begründet McKinsey-Seniorpartner Jakob Fischer diese Entwicklung. „Das lässt sich nicht aufhalten.“
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Recyclingquote kann weltweit gleichzeitig auf bis zu 50% steigen. Als Treiber dieser Entwicklung sieht Fischer insbesondere die Chemieindustrie, die die technologischen Fertigkeiten habe, um das wachsende Umweltbewusstsein sowie die Nachfrage der Konsumgüterindustrie nach recycelten Materialien zu erfüllen. Positiver Nebeneffekt der hohen Recyclingquote: Es wird kaum noch Müll unreguliert entsorgt werden (weniger als 1%) oder auf Landdeponien enden (18%). Dafür wird sich der Anteil des Plastikmülls, der verbrannt wird, um sechs Prozentpunkte auf 31% (136 Mio. Tonnen) erhöhen.
Deutschland schneidet im internationalen Vergleich gut ab
Deutschland und Europa schneiden der Analyse zufolge im internationalen Vergleich mit einer Recyclingquote von aktuell rund 22% gut ab. Bis 2030 könnte die Quote rund 65% betragen. Diese Verdreifachung kann McKinsey zufolge aber nicht nur durch herkömmliches Recycling gelingen, sondern auch durch neue Verfahren, um aus Plastik Öl und chemische Zwischenprodukte rückzugewinnen. Von den rund 7,3 Mio. Tonnen Plastikmüll in 2016 wurde zudem so gut wie kein Müll unreguliert in die Umwelt entsorgt.
Grundsätzlich könnte die Recyclingquote noch höher sein. Aber: „Eine große Herausforderung im Recycling sind dünne Plastiktüten und -folien“, stellt McKinsey-Partner Theo Jan Simons fest. Auf Grund des häufig hohen Verschmutzungsgrads könnten diese nicht mit herkömmlichen Recyclingmethoden verwertet werden. Neben der Verbrennung zur Energierückgewinnung sieht McKinsey deshalb Potenzial in der so genannten Pyrolyse. Dies ist ein Verfahren, in dem aus diesem „Niederqualitätsmüll“ unter Sauertoffausschluss wieder Flüssigrohstoff, also Öl bzw. Naphtha gewonnen wird. Dieser Rohstoff steht dann anschließend entweder für neue Kunststoffproduktion oder für die Beimischung zu Treibstoffen zur Verfügung, wodurch die notwendige Menge an neu zu förderndem Rohöl reduziert werden könnte. Berater Simons: „Diese Technologie stellt für die Chemieindustrie vor allem in Asien potenziell ein großes Wirtschaftsfeld dar.“ Deshalb gebe es gegenwärtig schon viele sowohl etablierte als auch junge Unternehmen, die sich mit der wirtschaftlichen Umsetzung dieses Verfahrens auseinandersetzen. Insgesamt geht McKinsey im Markt für Plastikrecycling von einem wirtschaftlichen Potenzial von bis zu 70 Milliarden Euro aus.
Um der Plastikmüllproduktion Herr zu werden und deutlich höhere Recyclingquoten zu erzielen, sind nach Ansicht von Berater Simons zum einen signifikante Investitionen erforderlich, zum anderen eine Zusammenarbeit aller relevanten Akteure entlang der Wertschöpfungskette: Angefangen beim Gesetzgeber, der Chemieindustrie und kunststoffverarbeitenden Unternehmen, Verpackungs- und Konsumgüterindustrie, sowie nicht zuletzt dem Verbraucher, der durch sein Verhalten die Entwicklungen maßgeblich mitbestimmt. Dabei erhöht sich aktuell der Druck auf die Industrie, was sich in weltweiten Verboten von Plastiktüten und sonstigem Verpackungsmüll zeigt, unter anderem in der EU, die mit ihrer Verabschiedung der Verpackungsmüllverordnung bereits neue Rahmenbedingungen geschaffen hat.