Was könnte künstliche Photosynthese beitragen, um die globale Erwärmung zu begrenzen?
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Nachdem einige Jahre lang die weltweiten Emissionen zumindest stagniert haben, sind sie in 2017 und 2018 wieder etwas gestiegen. Auch Deutschland hat seine Klimaziele deutlich verfehlt. Um die globale Erwärmung unter 2 Grad zu halten, dürfen bis 2050 nur noch etwa 1100 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre entlassen werden [1]. Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, dürfen weltweit sogar nur noch knapp 400 Gigatonnen CO2 emittiert werden. Ab 2050 müssen die Emissionen dann sogar auf Null sinken. Aktuell kommen jedoch jedes Jahr 42 Gigatonnen CO2 hinzu.
Fast alle Szenarien brauchen „negative Emissionen“
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat unterschiedliche Szenarien durchgerechnet. Nur im optimistischsten Szenario kann das Klimaziel durch sofortige und drastische Maßnahmen in allen Sektoren (Verkehr, Landwirtschaft, Bau, Energie, etc.) noch erreicht werden. In den weniger optimistischen Szenarien muss die Weltgemeinschaft ab 2030 oder spätestens 2050 zusätzliche Maßnahmen ergreifen: Sie muss große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre entnehmen oder dauerhaft lagern, um mit „negativen Emissionen“ die Bilanz auszugleichen. Ein Beispiel für negative Emissionen sind Aufforstungen im großen Stil – Wald bindet CO2 im Holz, solange das Holz nicht später als Brennstoff genutzt wird. Aber auch mit Systemen, die eine „künstliche Photosynthese“ ermöglichen, könnte CO2 aus der Atmosphäre entnommen und gebunden werden.
Wie dies funktionieren könnte, haben Physiker nun einmal durchgerechnet. Dr. Matthias May vom HZB-Institut für Solare Brennstoffe ist Experte für die Künstliche Photosynthese. Dr. Kira Rehfeld ist Umweltphysikerin an der Universität Heidelberg und befasst sich mit Klima- und Umweltvariabilität.
Natürliche Photosynthese: Eine Fläche von der Größe Europas müsste neu aufgeforstet werden
Um die Klimabilanz auszugleichen, müssten in einem mittleren Szenario ab etwa 2050 mindestens 10 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entnommen werden. Das Aufforsten oder der Anbau von Biomasse zur CO2-Reduktion konkurriert allerdings um die gleichen Flächen, die auch für Landwirtschaft benötigt werden. Allein mit mehr Biomasse ist es somit schwierig, diese Größenordnung zu erreichen: Denn die natürliche Photosynthese ist kein besonders effizienter Prozess: Maximal 2 Prozent des Lichts können Blätter nutzen, um CO2 und Wasser in neue chemische Verbindungen umzuwandeln. Um 10 Gigatonnen CO2 pro Jahr im Wald zu binden, argumentieren die beiden Physiker, müssten etwa 10 Millionen Quadratkilometer der fruchtbaren Flächen auf der Erde mit neuem Wald bepflanzt werden. Dies entspricht der Fläche des Kontinents Europa (bis zum Ural!).
Künstliche Photosynthese: Eine Fläche von der Größe Brandenburgs könnte ausreichen
Ähnliche Materialsysteme, wie sie derzeit für die künstliche Photosynthese erforscht werden, könnten deutlich effizienter CO2 binden. Heute schon gibt es im Labormaßstab photoelektrochemische Systeme aus Halbleitermaterialien und Oxiden, die etwa 19 Prozent des Lichts nutzen, um zum Beispiel Wasser zu spalten und damit einen Teilprozess der Photosynthese zu realisieren. Bei dem von May und Rehfeld anvisierten Materialsystem geht es allerdings nicht um die Erzeugung von Wasserstoff mit Sonnenlicht, sondern darum, CO2-Moleküle zu binden und in stabile chemische Verbindungen umzuwandeln. „Dies ist jedoch ein relativ ähnliches Problem aus Sicht der physikalischen Chemie“, sagt May.
Die Voraussetzung ist allerdings, dass es bis 2050 gelingt, großflächige und stabile Module zu entwickeln, die mit Sonnenenergie CO2 aus der Atmosphäre in andere Verbindungen umwandeln. Dann lässt sich der Flächenbedarf dieser Lösung berechnen. Bei einer angenommenen Effizienz von 19 Prozent und 50 Prozent Systemverlusten könnten Module von etwa 30.000 Quadratkilometern schon ausreichen, um jährlich 10 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. Dies entspricht etwa der Fläche des Bundeslands Brandenburg.
„Solche Module könnten in landwirtschaftlich nicht nutzbaren Regionen platziert werden, zum Beispiel in Wüsten. Denn sie benötigen im Gegensatz zu Pflanzen kaum Wasser, um zu funktionieren und die Effizienz leidet nicht unter intensiver Sonneneinstrahlung“, erklärt May. Das entnommene CO2 könnte zu Ameisensäure, Alkohol oder Oxalat umgewandelt werden und mit weiteren Verbindungen (zum Beispiel Kalziumchlorid) zu festen Mineralien reagieren, die gelagert oder sogar in Form von Kunststoff als Baumaterial genutzt werden können.
Auf Entwicklung setzen, aber nicht auf Wunder
Auch wenn May und Rehfeld überzeugt sind, dass solche Lösungen näher ins Auge gefasst werden sollten, warnen sie davor, sich auf technische Wunder zu verlassen. Denn noch funktionieren solche Systeme nur im kleinsten Maßstab, sie sind teuer und nicht langzeitstabil. Dies zu ändern, erfordert große Investitionen in Forschung- und Entwicklungsarbeit.
„Es könnte zwar möglich sein, solche Module zu entwickeln, aber selbst wenn wir sie dann bauen könnten, wird die Umwandlung nach unserer Schätzung mindestens 65 Euro pro Tonne CO2 kosten. Damit verursacht die Entnahme von 10 Gigatonnen CO2 jedes Jahr erneut Kosten von 650 Milliarden Euro. Außerdem können negative Emissionen nur das letzte Mittel sein, um dramatische Klimaentwicklungen zu bremsen. Das Beste wäre, jetzt sofort die Emissionen drastisch zu reduzieren, das wäre sicherer und viel billiger“, sagt May.