Katalysatoren: Fluktuationen machen den Weg frei
A.-K. Henß
Katalysatoren machen viele technische Verfahren überhaupt erst möglich. Allein in der chemischen Industrie beruhen mehr als 80 Prozent aller Erzeugnisse auf katalytischen Verfahren. Ein Katalysator ist ein Festkörper, an dessen Oberfläche eine Reaktion zwischen Molekülen stattfindet. Er ermöglicht oder beschleunigt diese Reaktion, bleibt selbst aber unverändert. Essenziell ist dabei, dass die Moleküle auf dem Katalysator diffundieren können, damit sie für eine Reaktion aufeinandertreffen. Unter industriellen Bedingungen ist die Katalysatoroberfläche allerdings fast vollständig mit adsorbierten Teilchen bedeckt und dadurch blockiert – wie die Moleküle sich trotzdem bewegen können, war bisher unklar. Chemiker um Professor Joost Wintterlin vom Department Chemie der LMU zeigen nun, dass die Moleküle in der Oberflächenmatrix des Katalysators sich nur kleinräumig bewegen können, bis ihnen lokale Fluktuationen in der Matrix sozusagen die Tür für schnelle Positionswechsel öffnen.
Um sich ein Bild von den Prozessen auf der Katalysatoroberfläche zu machen, untersuchten die Wissenschaftler mithilfe der Rastertunnelmikroskopie, wie Sauerstoffatome sich auf einer Rutheniumoberfläche bewegen, die von einer dichtgepackten Schicht aus Kohlenmonoxidmolekülen bedeckt ist. „Dieses System haben wir gewählt, weil die Oxidation von Kohlenmonoxid an Metallen der sogenannten Platingruppe ein gut untersuchtes Modell für die Katalyse ist“, sagt Wintterlin. Allerdings ist die Standard-Rastertunnelmikroskopie für die Oberflächendynamik dieses Systems viel zu langsam. Deshalb entwickelten die Wissenschaftler die Methode weiter und erreichten schließlich Bildraten von bis zu 50 Bildern pro Sekunde – schnell genug, um Videos der Teilchenbewegungen machen zu können.
In dem untersuchten System sind die Sauerstoffatome vollständig von Kohlenmonoxid-Molekülen umgeben und zwischen diesen Molekülen wie in einem Käfig gefangen. Wie die Analyse der Videos zeigte, springt das Sauerstoffatom innerhalb dieses Käfigs „im Dreieck“, da es zwischen drei Positionen wechseln kann. „Überraschenderweise fanden wir aber, dass es den Käfig wieder verlässt und sich fast genauso schnell wie auf einer komplett freien Oberfläche durch die Kohlenmonoxid-Matrix bewegen kann“, sagt Ann-Kathrin Henß, die Erstautorin der Arbeit. Die Münchner Wissenschaftler konnten – in Zusammenarbeit mit Professor Axel Groß von Institut für Theoretische Chemie der Universität Ulm – dieses Phänomen mit Fluktuationen in der Kohlenmonoxid-Matrix erklären, durch die die Moleküle manchmal dichter, manchmal weniger dicht gepackt sind. Wenn eine solche Fluktuation in der Nähe eines Sauerstoffatoms stattfindet, kann dieses seinen Kohlenmonoxid-Käfig verlassen und auf eine neue Position springen. Dieser "Türöffnungs-Mechanismus" findet so schnell statt, dass die Bewegung der Sauerstoffatome durch die Matrix von den „Käfigen“ nur wenig beeinträchtigt wird. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Moleküle tatsächlich auf einen Bindungspartner für die vom Katalysator geförderte chemische Reaktion stoßen.
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