Wie man Wärmeleitung einfriert

25.02.2019 - Österreich

An der TU Wien wurde ein physikalischer Effekt entdeckt, der elektrisch leitende Materialien mit extrem niedriger Wärmeleitfähigkeit ermöglicht. Damit kann man Abwärme in Strom umwandeln.

Copyright: TU Wien

Das Atom im Käfig kann in zwei Richtungen schwingen.

Jeden Tag geht uns wertvolle Energie in Form von Abwärme verloren – bei technischen Geräten zu Hause, aber auch bei großen Energieanlagen. Einen Teil davon könnte man mit Hilfe des "thermoelektrischen Effekts" zurückgewinnen. Dabei wird aus einer Wärmedifferenz zwischen einem heißen Gerät und der kalten Umgebung direkt elektrischer Strom gewonnen. Allerdings braucht man dafür Materialien, die einerseits Strom gut leiten, andererseits aber relativ schlechte Wärmeleiter sind.

Nach solchen Materialien wird weltweit gesucht. Als besonders vielversprechend erwiesen sich Materialien mit Käfigstruktur, zu denen auch die an der TU Wien untersuchten Clathrate gehören. Nun wurde nach aufwändigen Untersuchungen ein bemerkenswerter Effekt nachgewiesen, der die besonders niedrige Wärmeleitfähigkeit dieser Materialien erklären kann.

Gefängniszellen für Atome

"Clathrate sind Kristalle mit einer ganz besonderen Struktur", erklärt Prof. Silke Bühler-Paschen vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. "Sie bestehen aus winzigen Gitterkäfigen, in denen einzelne Atome eingesperrt sind." Ein solches Atom kann in seiner Einzelzelle hin und her schwingen, es ist aber nicht fest in das Kristallgitter eingebaut.

Die Wärme in einem Festkörper ist nichts anderes als das Schwingen der Atome. Erwärmt man einen Kristall, werden die Schwingungen immer größer und heftiger, bis irgendwann die Bindungen zwischen den Atomen aufgebrochen werden und der Kristall schmilzt. "Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Schwingungen", sagt Silke Bühler-Paschen. "Sind benachbarte Atome stark aneinander gebunden, so überträgt sich die Schwingung eines Atoms gleich auf den Nachbar und eine Wärmewelle breitet sich im Material aus. Je stärker die Kopplung zwischen den Atomen, desto schneller die Ausbreitung der Welle und desto größer die Wärmeleitung. Ist ein Atom jedoch nur sehr schwach an seine Nachbarn gebunden, wie eben das Atom im Clathratkäfig, so schwingt es weitgehend unabhängig von den anderen und die Wärmewelle ist extrem langsam."

Neuer Effekt: Die Kondo-artige Phononenstreuung

Matthias Ikeda stellte im Rahmen seiner Dissertation bei Silke Bühler-Paschen fest, dass es einer bestimmten Wechselwirkung zwischen diesen beiden Arten von Schwingungen zu verdanken ist, dass Clathrate so gute Wärmeisolatoren sind. Ikeda führte präzise und umfangreiche Messungen durch. Ganze Serien von Kristallen mit jeweils leicht unterschiedlichen Eigenschaften wurden an der TU Wien hergestellt und sorgfältig vermessen. "Am Ende konnten wir nachweisen, was uns anfangs noch niemand glauben wollte: Es gibt hier einen bisher unbekannten physikalischen Effekt, der die Wärmeleitfähigkeit unterdrückt - wir bezeichnen ihn als Kondo-artige Phononenstreuung", sagt Matthias Ikeda.

Aufgrund der Kristallstruktur schwingt ein Atom im Clathratkäfig bevorzugt in zwei bestimmten Richtungen. "Wenn jetzt eine Wärmewelle ankommt, kann sie für eine gewisse Zeit einen gebundenen Zustand mit einer solchen Schwingung eingehen. Die Wärmewelle ändert dabei die Schwingungsrichtung des Atoms im Clathratkäfig", sagt Silke Bühler-Paschen. "Dadurch wird die Wärmewelle abgebremst, und genau das reduziert die Wärmeleitung. Obwohl Clathrate elektrischen Strom leiten, sind sie daher gute thermische Isolatoren".

Besseres Material für Thermoelektrika

Genau diese Kombination braucht man, um den thermoelektrischen Effekt großtechnisch zu nutzen: Man verbindet etwas Heißes mit etwas Kaltem mit dem passenden Material und kann den Energiefluss dazwischen direkt in elektrischen Strom umwandeln. Dafür muss das Material einerseits elektrischen Strom leiten, soll den Temperaturunterschied aber nicht durch Wärmeleitung rasch ausgleichen, weil der Effekt sonst nicht mehr genutzt werden kann.

"Das Projekt war sehr aufwändig, neben zahlreichen Experimenten mussten auch umfangreiche Computersimulationen entwickelt werden, um die quantenphysikalischen Prozesse hinter diesem Effekt zu verstehen", sagt Silke Bühler-Paschen. "Aber es hat sich gelohnt: Mit unserem Konzept der Kondo-artigen Phononenstreuung kann man das Verhalten von Clathraten nun viel besser verstehen und damit auch gezielter daran arbeiten, die effizientesten Materialien für thermoelektrische Anwendungen zu finden."

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