Marine Senke für menschgemachtes Kohlendioxid bestimmt

18.03.2019 - Schweiz

Ein mehrjähriges internationales Forschungsprojekt unter Leitung der ETH Zürich bestimmte, welche Menge von menschgemachten CO2 -Emissionen die Weltmeere zwischen 1994 und 2007 aus der Atmosphäre aufgenommen hatten.

dimitrisvetsikas1969, pixabay.com, CC0

Wieviel menschgemachtes CO2 der Ozean speichert, ist nun dank umfangreicher Messungen mit hoher Gewissheit bekannt. (Symbolbild)

Nicht alles Kohlendioxid (CO2), das beim Verbrennen von fossilen Energieträgern in die Luft gelangt, verbleibt in der Atmosphäre und trägt zur Erderwärmung bei. Die Weltmeere sowie die Ökosysteme auf dem Land nehmen nämlich beachtliche Mengen der menschgemachten CO₂-Emissionen aus der Atmosphäre auf.

Meere nehmen CO2 in zwei Schritten auf: Zuerst löst sich das CO2 im Oberflächenwasser. Dann wird es von marinen Umwälzpumpen verteilt. Meeresströmungen und Mischungsprozesse verfrachten das gelöste CO2 von der Oberfläche bis tief in die Ozeanbecken, wo es sich über die Zeit anreichert.

Kohlenstoffspeicher im Ozean

Die marinen Umwälzpumpen sind die treibende Kraft hinter der sogenannten Kohlenstoffsenke im Ozean. Diese Senke ist wiederum für den atmosphärischen CO2-Haushalt bedeutend: Ohne sie wäre die CO2-Konzentration in der Atmosphäre deutlich höher und der menschgemachte Klimawandel entsprechend stärker.

Die Frage, wieviel des menschgemachten CO2 der Ozean genau aufnimmt, ist für die Klimaforschung zentral. Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung von Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik der ETH Zürich, ist es nun gelungen, die Senkenleistung des Ozeans in einem Zeitraum von dreizehn Jahren präzise zu bestimmen. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von Science berichten, nahmen die Weltmeere zwischen 1994 und 2007 insgesamt etwa 34 Giga-Tonnen (Milliarden Tonnen) menschgemachten Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf. Das entspricht rund 31 Prozent der gesamten menschgemachten CO2-Emissionen in diesem Zeitraum.

Marine Senkenleistung intakt

Der prozentuale Anteil der CO2-Aufnahme unterscheidet sich dabei nicht von den vorherigen rund 200 Jahren seit der Industrialisierung, wohl aber die absolute Menge: Denn solange die atmosphärische Konzentration von CO2 ansteigt, entwickelt sich die Senkenleistung der Meere ungefähr proportional dazu – je höher also der CO2-Gehalt in der Luft, desto mehr wird es vom Meer absorbiert – bis dieses irgendwann gesättigt ist.

Dies scheint aber noch nicht der Fall zu sein: «Der globale Ozean hat im untersuchten Zeitraum weiterhin menschgemachtes CO2 aufgenommen, und zwar mit einer Rate, wie sie aufgrund des Anstiegs des atmosphärischen CO2 zu erwarten ist», erklärt Gruber.

Überhaupt bestätigen die neuen datengestützten Befunde verschiedene frühere Schätzungen der marinen Senkenleistung anhand von Modellen. «Das ist eine wichtige Erkenntnis, die uns nun Gewissheit gibt, dass die unterschiedlichen Ansätze stimmen», sagt Gruber. Die Resultate erlaubten zudem Rückschlüsse auf die CO2-Senkenleistung der Land-Ökosysteme, die generell schwieriger zu erfassen sei.

Regional unterschiedliche Aufnahmerate

Während die Resultate insgesamt auf eine anhaltend starke Speicherfunktion der Meere im globalen Kohlenstoffhaushalt hindeuten, stellten die Forscher erhebliche Unterschiede in der Speicherrate verschiedener Meeresregionen fest.

So hat der Nordatlantik zwischen 1994 und 2007 rund 20 Prozent weniger CO2 aufgenommen als er eigentlich sollte. «Das liegt wahrscheinlich an der schwächelnden nordatlantischen Umwälzpumpe Ende der 90er Jahre, die ihrerseits durch Klimaschwankungen verursacht wurde», erklärt Gruber. Die niedrigere Senkenleistung im Nordatlantik ging derweil mit einer deutlich höheren Aufnahme im Südatlantik einher, so dass sich die gesamtatlantische Zunahme von menschgemachten CO2 insgesamt wie erwartet entwickelte.

Ähnliche Schwankungen dokumentierten die Forscher auch im Südpolarmeer, im Pazifik und im Indischen Ozean. «Die Ozeansenke reagiert somit keineswegs nur auf die Zunahme des atmosphärischen CO2 – die Sensitivität bezüglich klimatischen Schwankungen zeigt uns, dass hier auch grössere Rückkoppelungen mit dem Klimasystem möglich sind», betont Gruber.

Bilanz dank zwei Bestandsaufnahmen

Voraussetzung für diese Forschungsarbeit waren aufwändige Messungen der CO2-Konzentration und anderer chemischer und physikalischer Grössen in den verschiedenen Meeren von der Oberfläche bis zum Meeresboden in teils bis zu 6 km Tiefe. In diesem international koordinierten Programm beteiligten sich ab 2003 Wissenschaftler von sieben Nationen während mehr als eines Jahrzehnts. Insgesamt tätigten sie über 50 Forschungsfahrten durch die Weltmeere.

Für die Analyse der Daten verwendeten die Forscher eine statistische Methode, die Gruber und sein ehemaliger Doktorand Dominic Clement eigens entwickelt hatten: Sie erlaubt es, in der Gesamtkonzentration an gelöstem CO2 den gesuchten menschgemachten Anteil vom natürlichen CO2 zu unterscheiden. Als natürliches CO2 wird der Kohlenstoffanteil bezeichnet, der im Ozeansystem schon zu vorindustriellen Zeiten existierte.

Bereits um die Jahrtausendwende war Gruber an einer ähnlichen Studie beteiligt, welche anhand früherer CO2-Messungen in den Meeren deren Aufnahme von menschgemachtem CO2 seit Beginn der Industrialisierung um 1800 bis 1994 abschätzte – auf 118 Giga-Tonnen Kohlenstoff. Diese Analyse bis 1994 hat das aktuelle Forscherteam um Gruber nun bis zum Jahr 2007 erweitert. Die beiden Bestandsaufnahmen von 1994 und 2007 machten es erstmals möglich, die Zunahme der ozeanischen Konzentration von menschgemachtem CO2 in dieser Periode zu bestimmen und die Senkenleistung zu überprüfen.

Steigender CO2-Gehalt versauert Meereshabitate

Die ozeanische Kohlenstoffsenke leistet für die Menschheit einen wertvollen Dienst – doch auch der hat seinen Preis: Das im Meer gelöste CO2 macht das Wasser saurer. «Unsere Daten zeigen, dass die Versauerung teils bis über 3000 Meter tief ins Innere der Weltmeere reicht», bedenkt Gruber.

Das kann schwere Folgen für viele Meereslebewesen haben: Einerseits löst sich Kalk im angesäuerten Milieu spontan auf, was etwa Muscheln oder Korallen gefährdet, die Schalen oder Skelette aus Kalziumkarbonat bilden. Andererseits kann die veränderte Ozeanchemie physiologische Prozesse wie die Atmung von Fischen beeinträchtigen. «Nicht zuletzt um solche Vorgänge zu verstehen, ist eine genaue Dokumentation des menschlichen Einflusses in den Meeren so wichtig», ist Gruber überzeugt.

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