Grei­fen mit­hil­fe von Wär­me und Käl­te

Neuartiges System kann Fabriken effizienter machen

11.04.2019 - Deutschland

Wissenschaftler der Universität Kassel haben gemeinsam mit einer Ausgründung aus der Hochschule ein Produkt entwickelt, das bestimmte Abläufe in automatisierten Fabriken effizienter machen kann. Das Produkt ist beispielhaft für die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Start-ups in der nordhessischen Großstadt.

Der sogenannte Polygreifer kann auf Roboterarme montiert werden und Werkstücke verschiedener Materialien greifen und tragen. Herzstück ist eine doppelschichtige Platine, die aus einem Aluminiumblech und einem aufgetragenen Spezialpolymer besteht. Diese Material reagiert auf Wärme und Kälte: Wird die Platine erwärmt, verformt sich das Polymer und schmiegt sich in Sekundenschnelle um winzig kleine Unebenheiten, die selbst glatte Materialien wie Glas oder Metalle aufweisen. Nach der Abkühlung der Platine haftet das Werkstück und kann umgesetzt werden. Wird die Platine anschließend erneut erwärmt, wird es wieder freigegeben.

Foto HA Hessen Agentur GmbH/Jan Michael Hosan

Fabian v. Northeim (eta opt, links) und Sascha Mechthold (Fachgebiet tff der Uni Kassel) mit einem Prototypen des Polygreifers. Die Platine mit dem Polymer befindet sich in der Vertiefung des Plastikaufsatzes und hält das Holzstück mit dem Gewicht.

Das thermoplastische Polymer ist eine Entdeckung des Fachgebiets Kunststofftechnik der Universität Kassel. Die technisch anspruchsvolle Verbindung zwischen Aluminium und Polymer entwickelte das Fachgebiet Trennende und Fügende Fertigungsverfahren (tff). Das Start-up-Unternehmen eta opt, das von einem Absolventen der Universität Kassel gegründet wurde, bringt das Produkt zur Marktreife. Das Land Hessen förderte die Entwicklung des Polygreifers im Rahmen seiner LOEWE-Initiative mit rund 327.000 Euro.

Im Gegensatz zu bisherigen industriellen Greifverfahren wie beispielsweise mit Druckluft oder Vereisung ist der Polygreifer universell einsetzbar; das Material des Werkstücks spielt praktisch keine Rolle und selbst kleine Greifflächen genügen. Das Greifsystem eignet sich besonders für industrielle Produktionsstraßen, die unterschiedliche Produkte fertigen, da Umrüstzeiten entfallen. Gegenüber Druckluft-basierten Verfahren liegt die Energieersparnis bei bis zu 70 Prozent. Prototypen des Polygreifers gibt es bereits, binnen eines Jahres will eta opt das Produkt nun auf den Markt bringen.

Das Fachgebiet tff der Universität (Leitung Prof. Dr.-Ing. Stefan Böhm) forscht in den Bereichen Fertigungs-, Produktions- und Automatisierungstechnik sowie Schweißen, Kleben, Spanen und Strahlen. Das Fachgebiet Kunststofftechnik (Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Heim) vereint die Forschungsschwerpunkte Werkstofftechnik, Kunststoffprozesstechnik sowie Fügetechnik und Werkstoffverbunde. Die Ingenieurwissenschaften gehören zu den großen Schwerpunkt-Bereichen der nordhessischen Universität.

Förderung für Start-ups „ab dem ersten Geistesblitz“

Die Firma eta opt wurde 2015 von Dr.-Ing. Christoph Pohl gegründet, einem Absolventen und ehemaligen Mitarbeiter der Universität Kassel. Sie hat ihren Sitz im Science Park, in dem junge Unternehmen aus dem Umfeld der Hochschule auf dem Markt Fuß fassen und wachsen können. „Wir fördern vielversprechende Ideen und Start-ups im Grunde ab dem ersten Geistesblitz“, beschreibt es Kanzler Dr. Oliver Fromm, im Präsidium der Universität zuständig für Wissenstransfer. „Die Erfolgsgeschichte von eta opt zeigt beispielhaft, wie sich Beratung, die Anbahnung von Netzwerken, die Vermittlung von Stipendien und Förderprogrammen und die Zusammenarbeit mit der Forschung im Umfeld unserer Universität auszahlen. Hinzu kam hier eine großzügige Förderung des Landes, die es auch jungen Unternehmen ermöglicht, kapitalintensive Entwicklungen zu stemmen.“

Die Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz LOEWE ist ein Programm, mit dem das Land Hessen seit 2008 seine Forschungslandschaft stärkt und herausragende wissenschaftliche Verbundvorhaben fördert. Eine der Förderlinien unterstützt die Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und Hochschulen in der angewandten Forschung.

Der Science Park auf dem Campus der Universität Kassel ist ein Projekt von Universität und Stadt Kassel und der Sitz von zur Zeit etwa 20 jungen Unternehmen aus dem Umfeld der Hochschule. Bereits kurz nach der Einweihung 2015 war er weitgehend ausgebucht.

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