Deutsche Großkonzerne treiben Verkäufe voran
Deutschland weltweit hinter USA, China und Großbritannien auf Rang 4
Die Steigerung des Volumens in Deutschland fällt damit auch deutlicher aus als auf dem weltweiten Markt für Unternehmensverkäufe: Nach 1,7 Billionen US-Dollar im Vorjahr kletterte der weltweite Wert um knapp 14 Prozent auf 1,9 Billionen US-Dollar. Anders als in Deutschland stieg allerdings auch die Zahl der Transaktionen an: von 10.145 im Vorjahr auf 10.466.
Weltweit war der Wert lediglich in den USA (663 Milliarden US-Dollar), China (230 Milliarden US-Dollar) und Großbritannien (133 Milliarden US-Dollar) höher als in Deutschland.
Der nach wie vor nicht abgeschlossene Verkauf der RWE-Tochter innogy an E.on mit einem Wert von 46,6 Milliarden US-Dollar ist nicht nur die größte Transaktion in Deutschland, sondern auch die zweitgrößte weltweit – nach dem 60,8 Milliarden US-Dollar teuren Verkauf von Sprint an T-Mobile USA, der aber noch nicht abschließend genehmigt ist.
Das sind Ergebnisse einer weltweiten Studie zu Unternehmensverkäufen, für die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY weltweit 930 Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 250 Millionen US-Dollar befragt hat. In Deutschland nahmen 78 Unternehmen an der Befragung teil.
„Neue Technologien befeuern den Markt für Unternehmensverkäufe weltweit“, stellt Carsten Kniephoff, Leiter Divestment für die Region EMEIA bei EY, fest. „Dabei geht es oft nicht nur um neue Produkte oder Dienstleistungen, sondern um die Neuausrichtung oder gar Neuerfindung ganzer Geschäftsmodelle. Mit dem Verkauf von Unternehmensteilen können Unternehmen ihr Geschäftsmodell schärfen und sich sowohl organisatorisch als auch finanziell Luft verschaffen für Investments in neue Fertigkeiten.“
Insbesondere Industrieunternehmen treiben derzeit ihren Umbau voran und trennen sich deutlich stärker von Teilen ihres Geschäfts als andere Branchen: Während sie weltweit Unternehmensteile mit einem Gesamtwert von 309 Milliarden US-Dollar veräußerten, betrug das entsprechende Volumen bei Technologiekonzernen und Finanzdienstleistern mit jeweils 155 Milliarden beziehungsweise 147 Milliarden US-Dollar nur etwa die Hälfte davon. Und auch bei der Anzahl liegen die Industrieunternehmen mit 1.898 Deals deutlich vor den Konsumgüterherstellern (1.151) und Technologiekonzernen (1.140).
„Der Umbau der Industriekonzerne hat ein gewaltiges Ausmaß erreicht“, sagt Kniephoff. „Die Umstellung, Flexibilisierung und Beschleunigung von Produktionsprozessen, oft mit Hilfe digitaler Technologien, verlangen hohe Investitionen in neue Produktionsanlagen, aber auch in neue Kompetenzen. Ein Weg, um die nötigen Mittel für die Neuausrichtung zu erhalten, ist der Verkauf von Unternehmensteilen. Häufig sind damit ein Umbau des Geschäftsmodells und die Umstellung der Produktpalette verbunden, so dass die Veräußerung von Unternehmensteilen einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Industriekonzerne leisten kann.
Entsprechend haben 76 Prozent der Unternehmen mit dem eingenommenen Geld in neue Produkte oder Märkte investiert. 62 Prozent verwenden Mittel für ihr bisheriges Kerngeschäft.
Die hohe Bereitschaft, sich von Unternehmensteilen zu trennen, hält auch weiterhin an: 82 Prozent der befragten deutschen Unternehmen und 84 Prozent der weltweit befragten Unternehmen geben an, dass sie mit einer weiteren Trennung von Unternehmensteilen in den nächsten zwei Jahren rechnen.
Einen Strich durch die Pläne könnte gerade den deutschen Unternehmen der Brexit machen: 85 Prozent sagen, der Austritt Großbritanniens aus der EU könnte ihre Verkaufspläne beeinflussen. Weltweit geben dies nur 39 Prozent der Befragten an. Neu ausgehandelte Handelsvereinbarungen mit anderen Ländern können nach Angaben von 77 Prozent der deutschen Konzerne einen Einfluss nehmen, weltweit sehen 69 Prozent der Großunternehmen mögliche Auswirkungen.
„Deutsche Unternehmen schauen sich ganz genau an, was in Sachen Brexit passiert – immerhin ist Großbritannien einer unserer wichtigsten Handelspartner. Der Brexit kann je nach Ablauf einen massiven Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmensabspaltungen haben – und auf den Kaufs- beziehungsweise Verkaufspreis natürlich auch“, so Kniephoff. „Dass so manche Handelsbeziehungen derzeit hinterfragt und auch neu ausgehandelt werden – siehe die NAFTA-Vereinbarung zwischen den USA, Mexiko und Kanada – lässt einige Verkäufer ebenfalls zögern.“