Früher trug man bunt: Chemiker erforschen Jahrtausende alte Stoffe
Annemarie Kramell
Annemarie Kramell
Untersucht haben die Chemiker Dr. Annemarie Kramell und Prof. Dr. René Csuk von der MLU zwei alte Textilproben: Eine stammt aus der chinesischen Ruinenstadt Niya und war vermutlich Teil eines Hemdes. Sie ist über 2.000 Jahre alt. Die andere Probe hat ihren Ursprung im Peru um die Zeit von 1.100 bis 1.400 nach Christus. Sie gehört zur Ichma-Kultur, die in dieser Zeit in Peru ansässig war. Dass solch alte Kleider einmal bunt waren, sieht man den Stoffen heute häufig nicht mehr an: "Sie haben einen langen Leidensweg hinter sich: Was einmal bunt war, kommt jetzt zumeist schmutzig, grau und braun daher", sagt René Csuk. Über die lange Zeit haben sich die Farbstoffe aus der Natur durch die Einwirkung von Licht, Luft und Wasser zersetzt, erklärt der Chemiker. Früher wurden zum Färben nur Naturstoffe eingesetzt: "Wurzeln von Pflanzen der Gattung Rubia waren zum Beispiel die Grundlage für rote Farben, mit zermahlenen Walnussschalen wurden braune Farben hergestellt", sagt Annemarie Kramell. Auch damals mischen die Menschen einzelne Materialien, um andere Farbtöne zu kreieren.
Um herauszufinden, welche Materialien für welche Farben verwendet wurden, haben die Forscher ein neues Analyseverfahren entwickelt. Mit Hilfe der modernen bildgebenden Massenspektrometrie ist es ihnen gelungen, Farbstoffzusammensetzungen bei historischen Textilproben als Verteilungsbilder darzustellen. Bisher war es dafür nötig, die Farbstoffe aus den Textilien herauszulösen. Dadurch wurde aber auch das Muster zerstört. Mit ihrem neuen Verfahren analysieren die halleschen Chemiker dagegen die Farbstoffe direkt von der Oberfläche der Textilproben. Dafür wird das zu untersuchende Stück Stoff zunächst in ein anderes Material eingebettet. "Das Stück befindet sich in einer Matrix, die aus dem Material Technovit7100 besteht. Aus diesem Stoff werden wenige Mikrometer dünne Schnitte erzeugt, die auf spezielle Objektträger überführt werden", so Csuk. Ähnliche Verfahren finden zum Beispiel in der medizinischen Forschung für die Untersuchung von menschlichem Gewebe Einsatz. Der Vorteil ist, dass mit dieser Methode sehr komplexe Proben im Mikrometerbereich untersucht werden können. "Damit können wir sogar zwei ineinander verwobene Fäden voneinander unterscheiden, die ursprünglich andere Farben hatten", sagt Csuk.
In der neuen Studie haben die Forscher zum Beispiel Indigo-Farbstoffe in den Proben nachweisen können. Die Methode ist aber auch auf viele weitere Farbstoffklassen anwendbar und gewährt Einblicke in den Prozess der Textilherstellung längst vergangener Kulturen, so die beiden Wissenschaftler abschließend.
Die Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Projekts "Silk road fashion: Kleidung als Kommunikationsmittel im 1. Jahrtausend vor Christus in Ostzentralasien" gefördert. Beteiligt waren zudem das Hans-Knöll-Institut in Jena und Dr. Gerd Haus vom Biozentrum der MLU in Halle.
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