Das „neue Kelvin“ bekommt in Berlin-Charlottenburg eine Heimat

Neubau für feinste Messungen rund um tiefe Temperaturen und Quantentechnologie

16.05.2019 - Deutschland

Walther Meißner, der Pionier der Tieftemperaturforschung, ist der Namenspatron des neuen Gebäudes, das die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) auf ihrem historischen Gelände in Berlin-Charlottenburg bekommt. Es wird seit dem Jahr 2017 vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) errichtet. Jetzt naht die Fertigstellung des hochspezialisierten Wissenschaftsbaues, in dem es unter anderem um die Forschung rund um sogenannte SQUIDs gehen wird. Auch das „neue Kelvin“ bekommt hier gewissermaßen eine Heimat.

PTB / Jacqueline Struyken, Rendering: BBR / Thierry Mansion

Der neue Walther-Meißner-Bau der PTB auf ihrem Gelände in Berlin-Charlottenburg.

Er war einer der ganz großen Physiker: Walther Meißner nahm bereits 1927 auf dem demselben Areal, auf dem jetzt der Forschungsneubau entsteht, ein Tieftemperaturlaboratorium in Betrieb. Damals gehörte das Ganze noch zur direkten Vorgängerin der PTB, der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR). Meißner machte dort bahnbrechende Entdeckungen: Er fand neue supraleitende Elemente und erforschte deren Verhalten. Zwar wurde das Laboratorium im 2. Weltkrieg zerstört, aber der Grundstein war gelegt für einen Forschungsschwerpunkt, bei dem die heutige PTB zur Weltspitze gehört: Seit den 1980er Jahren ist die Entwicklung und Herstellung von höchstempfindlichen supraleitenden Quanteninterferenz-Detektoren (SQUIDs) hier ein großes Thema. Diese SQUIDs dienen als Sensoren zur Messung von unvorstellbar kleinen Magnetfeldern, etwa des menschlichen Herzens oder Gehirns. Mit ihnen sowie ihren teilweise weltweit einzigartigen Apparaten und magnetisch geschirmten Räumen ist die PTB international führend bei der Entwicklung neuer Diagnoseverfahren für Herz- und Hirnaktivität, aber auch in der physikalischen Grundlagenforschung wie etwa der Untersuchung von Eigenschaften magnetischer Nanoteilchen.

Aber auch auf anderen Forschungsgebieten bietet der neue Walther-Meißner-Bau einmalige Umgebungsbedingungen: etwa für die Kryostaten-Systeme zur Thermometrie, die ebenfalls weltweit herausragend sind. Mit ihnen kann die PTB der überwiegend mittelständisch geprägten deutschen Thermometer-Industrie die Kalibrierung ihrer Produkte über einen sehr weiten Temperaturbereich aus einer Hand gewährleisten.

Außerdem wird die PTB in dem Gebäude das „neue“ Kelvin bereitstellen: Ab dem 20. Mai dieses Jahres wird die SI-Basiseinheit der Temperatur, das Kelvin, nicht mehr über den Tripelpunkt von Wasser, sondern über eine Konstante der Natur, die Boltzmann-Konstante, definiert. In dem Neubau wird die PTB das „neue“ Kelvin quasi „machen“ – wissenschaftlich exakter: Sie wird es direkt darstellen. Dazu dient ein sogenanntes Rauschthermometer, ein quantengestütztes Temperaturnormal. Mit ihm misst die PTB das Kelvin, indem sie eine Spannung direkt rückführbar auf ein Josephson-Normal misst. So kann die PTB ihre Spitzenstellung auch auf dem Gebiet der Primärthermometrie weiter ausbauen.

Zudem wird in dem neuen Gebäude die Entwicklung innovativer Präzisionselektronik für metrologische Anwendungen weitergeführt. Auch werden in den Laboratorien zukünftig Forschungsarbeiten zur optischen Einzelphotonen-Radiometrie durchgeführt werden, als ein Teil des neuen Quantentechnologie-Zentrums der PTB. Außerdem werden die neuen Räumlichkeiten im Rahmen des Technologietransfers der PTB zur Beratung und zum Anwendertraining für industrielle und wissenschaftliche Kooperationspartner genutzt.

Insgesamt beherbergt der Walther-Meißner-Bau Labor-, Mess- und Reinräume mit einer gesamten Nutzfläche von 2325 m2, zusätzlich 555 m2 Büroflächen für die dort beschäftigten 33 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker. Das Gebäude bietet 30 582 m3 umbauten Raum. Es erfüllt höchste Anforderungen hinsichtlich Schwingungsfreiheit und Temperaturkonstanz der Labore sowie an die infrastrukturellen Bedingungen in den Reinräumen der Klassen 4 und 6. Die Baukosten wurden mit gut 36 Millionen Euro angesetzt. Das Gebäude soll Ende 2020 fertiggestellt werden, sodass der Forschungsbetrieb 2021 beginnen kann.

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