Fachkräftemangel und schlechte Infrastruktur bremsen Digitalisierung in der chemischen Industrie
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Ähnliche Lücken zwischen Potenzial und Umsetzung gibt es noch bei der Kundenbetreuung und der Logistik, die aus Sicht von 66 Prozent beziehungsweise 63 Prozent der befragten Unternehmen stark oder sehr stark von der Digitalisierung beeinflusst werden. Doch auch bei der Kundenbetreuung ist die Digitalisierung nur bei 26 Prozent bereits weit oder sehr weit fortgeschritten, in der Logistik ist dies bei 24 Prozent der Unternehmen der Fall.
Die ersten Erfolge sind aus Sicht der Unternehmen dennoch schon sichtbar: 47 Prozent der Unternehmen haben mithilfe digitaler Technologien schnellere Durchlaufzeiten erreicht, für 45 Prozent hat sich der Markt- und Kundenzugang verbessert.
44 Prozent der Unternehmen konnten bereits Kosten senken – durchschnittlich um zwölf Prozent. Künftig erwarten die Unternehmen sogar Kosteneinsparungen von durchschnittlich 17 Prozent.
Und nicht nur bei den Kosten sieht die Chemiebranche noch viel Potenzial: Als die Top-3-Potenziale, die sich in Zukunft mithilfe der Digitalisierung erreichen lassen, nennen die Unternehmen eine verbesserte Datenanalyse (49 Prozent), Automatisierung (34 Prozent) sowie eine Verbesserung des Datenmanagements (32 Prozent).
Das sind Ergebnisse des „DigiChem Surveys“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, für den 101 Unternehmen der chemischen Industrie zum Stand der Digitalisierung in ihrer Branche befragt wurden.
Aus Sicht von Frank Jenner, Partner und weltweiter Leiter der Sparte Chemische Industrie bei EY, zeigen die Ergebnisse, dass die Branche zwar bereits einiges umgesetzt, aber noch einen weiten Weg vor sich hat: „Die chemische Industrie hat erst verhältnismäßig spät mit der Digitalisierung begonnen. Wir beobachten seit 2015 eine gesteigerte Aktivität. Wichtige erste Schritte bei der Digitalisierung sind jetzt gemacht, und die Unternehmen fahren auch schon die ersten Erfolge ein. Allerdings besteht nach wie vor eine große Lücke zwischen dem erwarteten Potenzial und dem tatsächlich erzielten Fortschritt. Die chemische Industrie in Deutschland sollte ihre Bemühungen verstärken und sich zum Treiber der digitalen Transformation entwickeln.“
Sven Mandewirth, Associate Partner im EY Account-Team der Chemieindustrie unterstreicht: „Die chemische Industrie sollte stärkeren Fokus auf die digitale Transformation des Kerngeschäfts und der Geschäftsmodelle legen. Die Digitalisierung von Verwaltung und Zentralfunktionen spart zwar Kosten, aber sichert nicht die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.“
Fachkräftemangel größte Barriere für die Umsetzung der Digitalisierung
Wie viele andere Branchen auch, hat die chemische Industrie allerdings mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. 53 Prozent der Unternehmen nennen als größte Barriere für die Umsetzung der Digitalisierung, dass sie zu wenig qualifiziertes Personal finden. Die unzureichende technische Infrastruktur bremst aus Sicht von 39 Prozent der Unternehmen die Digitalisierung aus und 37 Prozent nennen Sicherheitsbedenken, zum Beispiel in Bezug auf Cyberangriffe oder Datenlecks.
Und es sind vor allem die kleineren Unternehmen, die bei der Umsetzung hinter den größeren Konzernen zurückbleiben: Bei der Selbsteinschätzung auf einer Skala von Null bis Hundert, wobei Null keinerlei Aktivitäten zur Digitalisierung bedeutet und Hundert, dass eine bereits reibungslose digitale Transformation gestartet wurde, beträgt der Durchschnittswert 61. Während alle Umsatzklassen über 100 Millionen Euro sich knapp über diesem Wert befinden, sind es die Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Millionen Euro, die die Umsetzung der Digitalisierung mit 52,5 mit Abstand am niedrigsten einschätzen.
„Die chemische Industrie muss umdenken: Sie konkurriert im Kampf um IT-Fachkräfte plötzlich mit anderen Branchen und braucht daher andere Personalstrategien. Und Sicherheit betrifft nicht mehr nur alleine die physische Sicherheit der Anlagen und Produkte, sondern eben auch die Sicherheit vor Cyberangriffen. Während die größeren Konzerne bei der Umsetzung der Digitalisierung schon etwas weiter sind, müssen die kleineren Unternehmen aufpassen, im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren. Die Digitalisierung wird noch disruptive Umwälzungen mit sich bringen – und die Unternehmen müssen sowohl personell als auch bei der Infrastruktur darauf vorbereitet sein.“
Bisher seien die Veränderungen eher evolutionär geprägt gewesen. „Aber das wird sich ändern. So erwarten die Unternehmen für die kommenden drei Jahre mehrheitlich eine revolutionäre beziehungsweise mit 26 Prozent sogar eine disruptive Weiterentwicklung in der chemischen Industrie.“