Atomare Ursachen von Supraleitung
Neue Erkenntnisse zu Metallhydriden
Christian Wißler
In den letzten fünf Jahren ist es Wissenschaftlern an verschiedenen Forschungseinrichtungen gelungen, unter extremen Drücken wasserstoffreiche Metallhydride herstellen, die bei Tiefkühlschrank-Temperaturen – also bei etwa minus 20 Grad Celsius – supraleitend werden. Diese sogenannte Sprungtemperatur liegt somit bei Metallhydriden erheblich höher als bei allen anderen Supraleitern, die nur bei extremer Kälte unterhalb von minus 200 Grad Celsius Strom ohne Widerstand transportieren. Die Ursachen dafür, dass es sich bei Metallhydriden anders verhält, lagen bisher im Dunkeln. Die Forscher am Bayerischen Geoinstitut (BGI) und am Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth haben nun die fundamentalen Wechselwirkungen von Wasserstoffatomen in Metallhydriden entdeckt und erklärt. Diese Erkenntnisse ermöglichen es, zu einem tieferen Verständnis des supraleitenden Zustands und seiner Entstehung vorzudringen.
„Wir verfügen jetzt über wertvolle Ansatzpunkte für das Design von Metallhydriden, die möglicherweise bei noch höheren Temperaturen supraleitend werden. Mit den neuen Technologien der Hochdruckforschung im Bayerischen Geoinstitut können wir diese Materialien synthetisieren und unsere Vorhersagen direkt vor Ort empirisch überprüfen. Die Messungen unter Hochdruck wirken wiederum auf unsere theoretischen Annahmen zurück. Dadurch ermöglichen sie immer präzisere Vorhersagen der atomaren Prozesse, die Metallhydride in den supraleitenden Zustand versetzen“, sagt Dr. Thomas Meier, der Leiter des Bayreuther Forschungsteams.
Die Vision der Bayreuther Forscher reicht weit in die Zukunft: Im Wechselspiel von theoretischen Vorhersagen und empirischen Messungen wollen sie Materialien synthetisieren, deren Sprungtemperaturen sich der normalen Raumtemperatur immer weiter annähern. Diese Materialien könnten eines Tages tatsächlich eine zentrale Bedeutung für den verlustfreien Transport elektrischer Energie gewinnen. Bis dahin ist allerdings noch eine andere Hürde zu überwinden: Die bisher untersuchten Metallhydride sind nur solange supraleitend, wie der hohe Kompressionsdruck anhält, unter dem sie entstanden sind. Sinkt der Druck, zerfallen die Materialien. Aber nur dann, wenn Supraleiter mit einer hohen Sprungtemperatur sich unter normalen Umgebungsbedingungen als stabil erweisen, kommen sie für technologische Anwendungen infrage.
Die jetzt veröffentlichen Erkenntnisse zu atomaren Prozessen in wasserstoffreichen Metallhydriden konnten dadurch erzielt werden, dass die Bayreuther Forscher zeitgleich zwei Forschungstechnologien angewendet haben: die geo- und materialwissenschaftliche Hochdruckforschung und die magnetische Kernresonanzspektroskopie (NMR). Für diese Kombination wurde das Bayerische Geoinstitut der Universität Bayreuth im Jahr 2018 als einer der „100 ausgezeichneten Orte im Land der Ideen“ ausgewählt. Dr. Thomas Meier hatte mit seinen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten maßgeblich dazu beitragen, diese bis vor kurzem noch getrennten Verfahren zu verknüpfen.
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