Den tödlichen Bruder des Ethanols messen
Van den Broek J et al. Nature Communications 2019
Methanol wird mitunter als tödlicher Bruder des Ethanols bezeichnet. Während letzterer der berauschende Stoff in Wein, Bier und Schnaps ist, ist ersteres eine Chemikalie, die im menschlichen Körper zu hochtoxischen Stoffen abgebaut wird. Schon verhältnismässig wenig Methanol kann zu Erblindung oder unbehandelt zum Tod führen.
Wegen mit Methanol verunreinigten alkoholischen Getränken kommt es immer wieder zu Vergiftungsfällen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Denn bei der alkoholischen Gärung entsteht in geringen Mengen auch Methanol. Wo in Hinterhöfen unprofessionell Alkoholika gebrannt werden, können relevante Mengen Methanol in den Schnaps gelangen. Eine andere Ursache für Vergiftungen sind Getränke, die mit Scheibenwischwasser oder anderen methanolhaltigen Flüssigkeiten gepantscht werden.
Getränkeuntersuchungen und Atemtest
Bisher konnte Methanol nur in einem chemischen Analyselabor von Ethanol unterschieden werden. Auch um in Spitälern eine Methanolvergiftung zu diagnostizieren, sind verhältnismässig grosse und teure Apparate nötig. «In Schwellen- und Entwicklungsländern, wo Methanolvergiftungen am häufigsten auftreten, sind solche Geräte oft nicht vorhanden», sagt Andreas Güntner, Gruppenleiter am Particle Technology Laboratory von ETH-Professor Sotiris Pratsinis sowie Forscher am Universitätsspital Zürich.
Er und seine Kollegen haben nun ein kostengünstiges und tragbares Gerät entwickelt, das auf einem kleinen Metalloxidsensor basiert. Mit diesem lassen sich Methanol- und Ethanoldämpfe innert zwei Minuten über einem Getränk «erschnüffeln», um gepanschten Alkohol zu erkennen. Das Gerät kann ausserdem durch die Analyse der Atemluft eines Patienten eine Methanolvergiftung festzustellen. Auf einer Notaufnahme hilft dies, sofort die richtigen Gegenmassnahmen einzuleiten.
Methanol von Ethanol getrennt
Mit Metalloxidsensoren war es schon bisher möglich, Alkoholdämpfe zu messen. Man konnte damit jedoch nicht unterschiedliche Alkohole wie Ethanol und Methanol auseinanderhalten. «Auch die von der Polizei verwendeten Atemlufttests messen nur Ethanol, wobei sie je nach Gerät auch Methanol fälschlicherweise als Ethanol erkennen», erklärt Jan van den Broek, Erstautor der Studie und Doktorand an der ETH.
Die ETH-Wissenschaftler entwickelten einerseits einen hochempfindlichen Alkoholsensor aus Nanopartikeln aus Zinnoxid, das mit Palladium versetzt ist. Andererseits wendeten sie einen Trick an, um Methanol und Ethanol voneinander zu unterscheiden: Die Proben gelangen nicht direkt auf den Sensor, sondern in einem davor angebrachten Röhrchen werden die beiden Alkohole voneinander getrennt. Das Röhrchen ist mit einem porösen Polymer gefüllt, durch das die zu untersuchende Luft mit einer kleinen Pumpe gezogen wird. Methanol passiert das Polymer-Röhrchen aufgrund seiner kleineren Molekülgrösse schneller als Ethanol.
Das Messgerät erwies sich als äussert empfindlich. In Labortests erkannte es in alkoholischen Getränken auch geringste Methanolverunreinigungen, bis in den tiefen Bereich der gesetzlich erlaubten Grenzwerte. Ausserdem analysierten die Wissenschaftler Atemproben einer Person, die zuvor Rum getrunken hatte, wobei die Forscher der Atemprobe zu Testzwecken nachträglich eine geringe Menge Methanol beimengten.
Zum Patent angemeldet
Die Forscher meldeten die Messmethode zum Patent an. Sie sind nun daran, die Technologie in ein Gerät zu integrieren, das in der Praxis angewendet werden kann. «Weil die Technologie günstig ist, eignet sie sich auch gut für Entwicklungsländer. Sie ist ausserdem einfach zu bedienen und kann von Personen ohne Laborausbildung angewandt werden, beispielsweise von Behörden und auch Touristen», sagt Güntner. Zudem sei sie für die Qualitätskontrolle in Schnapsbrennereien interessant.
Methanol spielt aber nicht nur im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken eine Rolle, sondern ist auch eine bedeutende Industriechemikalie, die sogar noch wichtiger werden könnte: Methanol wird als möglicher Energieträger der Zukunft diskutiert – mit Methanolbrennstoffzellen lassen sich Fahrzeuge antreiben. Eine weitere Einsatzmöglichkeit wären daher Alarmsensoren, um Lecks in Tanks zu erkennen.
Originalveröffentlichung
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