Zigarettenfilter, die sich selbst auflösen

Forschen für den Umweltschutz

19.09.2019 - Deutschland

Eine riesige Zahl an weggeworfenen Zigarettenfiltern schwimmt in unseren Ozeanen, und es werden immer mehr: Laut Weltgesundheitsorganisation gelangen jährlich zwischen 340 und 680 Millionen Tonnen Zigaretten in unsere Weltmeere. Damit sind die Kippen das Produkt, das weltweit am häufigsten achtlos in die Natur weggeworfen wird. Max-Fabian Volhard von der FH Münster geht gegen diese immense Umweltverschmutzung vor: Gemeinsam mit seinem betreuenden Professor Dr. Thomas Jüstel forscht er an einem chemischen Stoff, der dafür sorgen soll, dass sich die schädlichen Zigarettenfilter von alleine in der Umwelt zersetzen.

FH Münster/Theresa Gerks

Noch schwimmt das Zelluloseacetat der Zigarettenfilter im Meerwasser – wie es sich am effektivsten auflöst, erforscht Max-Fabian Volhard.

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Max-Fabian Volhard präpariert seine selbstgebauten Photoreaktoren, die das Sonnenlicht imitieren.

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„Zigarettenfilter bestehen zu einem großen Teil aus Zelluloseacetat. Das ist ein Polymer – es besteht als Grundeinheit aus Zellulose und wurde mit Essigsäure modifiziert“, erklärt Volhard. „Es lässt sich schlecht abbauen, dafür sind die Acetat-Gruppen des Polymers verantwortlich.“ Ein Zusatzstoff im Filter soll das ändern – genauer gesagt der Katalysator Titandioxid, der als Mineral Anatas in der Erdkruste vorkommt und auf Sonnenlicht reagiert. Wenn Titandioxid von der UV-A-Strahlung im Sonnenlicht angeregt, also aktiviert wird, bildet der Stoff Radikale. Sie greifen die Polymer-Struktur des Zigarettenfilters an und lösen ihn mit der Zeit komplett auf. Nach circa fünf Jahren, so schätzt der Doktorand, bleiben nur Wasser und Kohlenstoffdioxid von der Kippe übrig.

Soweit die Theorie – an deren Umsetzung forscht der 32-Jährige jetzt in den Laboren auf dem Steinfurter Campus der FH Münster. Seine Hauptaufgabe ist es, Titandioxid so zu modifizieren, dass es das Zelluloseacetat wirksam zersetzt und auch mit den über 4.000 Giftstoffen im Zigarettenfilter klarkommt, die sich dort nach dem Abrauchen gesammelt haben. Die Reaktion der Radikale erforscht er in selbstgebauten Photoreaktoren, die das UV-Spektrum der Sonne imitieren. „Das passt sehr gut zu meiner Doktorarbeit, in der ich mich intensiv mit Mikroplastik aus verschiedenen Perspektiven beschäftige“, sagt Volhard.

Deshalb ist die Idee, einen Katalysator zu verwenden und damit chemische Strukturen aufzulösen, für ihn nicht mehr neu: In Laborexperimenten hat er bereits nachgewiesen, dass das Konzept der Zersetzung von Kunststoffen im Kontakt mit Meerwasser grundsätzlich funktioniert. Viele Unternehmen haben sich für diese Idee interessiert, waren jedoch von den Kosten abgeschreckt. Für eine Plastikflasche wären einige hundert Milligramm des Katalysators fällig, was einen Aufpreis bedeuten würde, der der preissensiblen Kunststoffindustrie zu hoch ist. Bei einem durchschnittlichen Zigarettengewicht von 5 bis 6 Gramm wären jedoch nur wenige Milligramm Titandioxid nötig, um die Kippe nach dem Abrauchen komplett zu zersetzen. Der Katalysator würde eine Zigarette ungefähr einen Cent teuer machen. „Und da haben wir schon pessimistisch gerechnet, wahrscheinlich ist es günstiger“, so Jüstel. Durchschnittlich kostet eine Zigarette in Deutschland um die 30 Cent.

Doktorand und Professor schlagen thematisch in die Kerbe der Fridays-for-Future-Bewegung. Sie wollen ein Bewusstsein für ihre Ideen schaffen und zeigen, dass Chemie etwas zum Umweltschutz beitragen kann. „Uns ist aber auch klar, dass ohne die politische Unterstützung hier gar nichts passieren wird“, sagt Jüstel.

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