Neue Methode zum Einsatz von Spinwellen in magnetischen Materialien

26.11.2019 - Deutschland

Kleiner, schneller, energiesparender – das ist das Ziel, dem die Entwickler von elektronischen Geräten seit Jahren entgegeneifern. Um einzelne Bauteile von Handys oder Computern immer weiter miniaturisieren zu können, gelten derzeit magnetische Wellen als vielversprechende Alternativen zur herkömmlichen Datenübertragung, die mittels elektrischer Ströme funktioniert. Der Grund: Bei immer kleiner werdenden Chips stößt die elektrische Datenübertragung irgendwann an ihre Grenzen, weil Elektronen, die sehr eng aneinander liegen, viel Wärme abgeben – was zu einer Störung der physikalischen Abläufe führen kann.

© B. Divinskiy et al./ Nature Communications

Magnetische Simulationen für Magnetplatten mit 0,5 Mikrometern Durchmesser. Zu sehen sind die räumlichen Verteilungen dynamischer Magnetisierung in Mu-Metall (li.) und Cobalt und Nickel (re.).

Hochfrequente magnetische Wellen können sich dagegen auch in kleinsten Nanostrukturen ausbreiten und so Informationen übertragen und verarbeiten. Als physikalische Grundlage dient dabei der sogenannte Spin der Elektronen im Trägermaterial, den man sich vereinfacht als eine Rotation des Elektrons um seine eigene Achse vorstellen kann. Allerdings sind Spinwellen in der Mikroelektronik bisher nur eingeschränkt nutzbar, bedingt durch die sogenannte Dämpfung, die auf die Spinwellen einwirkt und sie schwächt.

Physiker der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) haben jetzt einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sich unerwünschte Dämpfungen beseitigen und Spinwellen dadurch besser einsetzen lassen. „Unsere Ergebnisse zeigen einen neuen Weg für die Anwendung von effizienten Spin-getriebenen Bauteilen auf“, betont Studienleiter Dr. Vladislav Demidov vom Institut für Angewandte Physik (Forschergruppe Demokritov). Der neue Ansatz kann für zukünftige Entwicklungen in der Mikroelektronik, aber auch für die weitere Erforschung von Quantentechnologien und neuartigen Computerverfahren relevant sein.

Hintergrund und Methode

Magnonik nennt sich das Forschungsfeld, in dem Wissenschaftler Elektronenspins und deren Wellen in magnetischen Materialien untersuchen. Der Begriff leitet sich von den Teilchen des Magnetismus ab, die im Fachjargon als Magnonen bezeichnet werden. Sie entsprechen den Spinwellen.

Die beste Möglichkeit, die störende Dämpfung von Spinwellen elektronisch zu kompensieren, ist der sogenannte Spin-Hall-Effekt, der vor einigen Jahren entdeckt wurde. Dabei werden die Elektronen in einem Spinstrom je nach Ausrichtung ihres Spins seitlich abgelenkt, was es ermöglicht, Spinwellen in magnetischen Nanogeräten effizient zu erzeugen und zu steuern. Allerdings führen sogenannte nichtlineare Effekte in den Schwingungen dazu, dass der Spin-Hall-Effekt in der praktischen Anwendung nicht richtig greift – ein Grund, weshalb Wissenschaftler bisher noch keine dämpfungsfreien Spinwellen verwirklichen konnten.

In ihrem Experiment platzierten die Wissenschaftler wenige Nanometer dünne Magnetplatten aus Mu-Metall oder aus Cobalt und Nickel auf einer ebenfalls sehr dünnen Schicht aus Platin. An den Grenzflächen der verschiedenen Materialien wirkten sogenannte magnetische Anisotropien – was bedeutet, dass die Magnetisierung in eine vorgegebene Richtung verlief. Durch das Ausbalancieren der Anisotropien der verschiedenen Schichten konnten die Forscher die ungünstige nichtlineare Dämpfung effizient unterdrücken und dadurch kohärente Spinwellen erreichen – also Wellen, deren Geschwindigkeit und Frequenz gleich ist und die dadurch eine feste Phasenverschiebung haben. Dadurch erreichten die Wissenschaftler eine vollständige Dämpfungskompensation im Magnetsystem, wodurch sich die Wellen räumlich ausbreiten konnten.

Die Wissenschaftler erwarten, dass ihr neuer Ansatz einen signifikanten Einfluss auf zukünftige Entwicklungen in der Magnonik und Spintronik hat. „Unsere Ergebnisse eröffnen einen Weg für den Einsatz von Spin-Hall-Oszillatoren, also schwingungsfähigen mechanischen Systemen, die leistungsfähige Mikrowellensignale erzeugen können“, betont Boris Divinskiy, Doktorand am Institut für Nichtlineare magnetische Dynamik der WWU und Erstautor der Studie.

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