Metall mit ungewöhnlichen Eigenschaften

18.12.2019 - Deutschland

Eine chinesisch-deutsche Forschungskooperation mit Beteiligung der Universität Augsburg hat bei einem Metall Eigenschaften nachgewiesen, die sich mit gängigen physikalischen Theorien nicht erklären lassen. Die Ergebnisse wurden an einer speziellen metallischen Verbindung mit ungewöhnlichen magnetischen Charakteristika erzielt – Wissenschaftler sprechen auch von magnetischer Frustration. Bei sehr tiefen Temperaturen und bei starken Drücken und Magnetfeldern beobachtete die Kooperation bei dem Metall ein neuartiges, sogenanntes kritisches Verhalten.

© Nature Physics

Temperatur-Druck/Magnetfeld-Phasendiagram für die Verbindung CePdAl. Die Farbkodierung zeigt das Temperaturverhalten des elektrischen Widerstands an. An den rot markierten Stellen verhält sich das Metall wie erwartet, während die Abweichungen von der Theorie von Gelb über Grün zu Blau immer stärker werden. Wesentliches Ergebnis ist die Existenz einer Quantenkriti-schen Phase (Mitte). Für ihre Stabilisierung ist möglicherweise die atomare Struktur des CdPdAl-Kristalls (oben) verantwortlich.

Metalle sind Elemente oder Verbindungen, die elektrischen Strom leiten können. Wie der geniale russische Physiker Lev Landau bereits in den 1950er Jahren erkannte, lassen sich deren Eigenschaften so deuten, als würden in ihnen nahezu unabhängig voneinander bewegliche Ladungsträger vorliegen. Landau nannte die Ladungsträger „Quasiteilchen“, um anzudeuten, dass sie einen kollektiven Zustand beschreiben, aber nicht wie „echte“ Elektronen einzeln auftreten können.

In den letzten Jahren haben jedoch Materialien Aufsehen erregt, deren Eigenschaften komplexer sind und sich nicht durch Landaus Quasiteilchen-Modell beschreiben lassen. Hierzu zählen auch die für potenzielle Anwendungen interessanten Hochtemperatur-Supraleiter. Das Quasiteilchenbild bricht zusammen, wenn sich der Grundzustand eines Metalls – seine Phase – bei einer äußeren Störung ändert, etwa durch Anlegen von Druck oder eines Magnetfelds. Diese Änderung kann zum Beispiel darin bestehen, dass die magnetischen Momente im Metall (vereinfacht gesagt: die Elementarmagneten) bis zu tiefsten Temperaturen in völlig unterschiedliche Richtungen weisen (normalerweise richten sie sich bei tiefen Temperaturen aneinander aus, gehen also in einen geordneten Zustand über). Folge ist ein exotischer Metallzustand, der quantenkritische Punkt – so genannt, weil er normalerweise nur unter streng definierten Bedingungen im so genannten Phasendiagramm des Metalls auftritt. Quantenkritische Punkte werden heutzutage mit ungewöhnlichen Phasen wie etwa der Hochtemperatur-Supraleitung in Verbindung gebracht.

Das chinesisch-deutsche Team hat nun erstmals durch Messungen nachgewiesen, wie nicht nur ein einzelner Punkt, sondern ein ganzer Bereich im Phasendiagramm quantenkritisches Verhalten zeigen kann. Dazu haben sie eine metallische Verbindung aus den Elementen Cer, Palladium und Aluminium „unter die Lupe genommen“ (chemisches Kürzel: CePdAl). Die Augsburger Gruppe um Prof. Dr. Philipp Gegenwart hat die Wärmekapazität von geschickt mit Fremdatomen verunreinigten (dotierten) Proben bei tiefen Temperaturen untersucht. Die Forscher um Prof. Dr. Peijie Sun vom Institut für Physik in Peking haben dagegen gemessen, wie sich der elektrische Widerstand von CePdAl unter Druck und im Magnetfeld verändert.

Durch Kombination der Messdaten gelang der Kooperation der Nachweis, dass in CePdAl ein verbreiterter kritischer Bereich an Stelle eines singulären kritischen Punkts vorliegt. Die Forscher vermuten, dass dies mit der besonderen Anordnung magnetischer Momente in CePdAl zusammenhängt. Die Cer-Atome, welche den Magnetismus verursachen, sind nämlich in einer Art Dreiecks-Muster angeordnet. Konsequenz dieses Musters ist ein besonderes Phänomen, die „magnetische Frustration“.

Die Cer-Elektronen verhalten sich wie kleine Magneten und möchten bei tiefen Temperaturen ihre Magnetpole zu den nächsten Nachbarn ausrichten. In der Verbindung CePdAl ist allerdings die übliche antiparallele Ausrichtung aufgrund einer Dreiecksanordnung unmöglich. Nur zwei Magnete im Dreieck können sich zueinander antiparallel einstellen, der dritte kann nicht gleichzeitig antiparallel zu beiden anderen stehen. „Wir vermuten, dass dieser Frustrations-Effekt den quantenkritischen Bereich stabilisiert“, erklärt Gegenwart.

Der Erfolg der Studie ist das Ergebnis einer langjährigen Kooperation zwischen Instituten in Deutschland und China, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und ihrer chinesischen Partnerorganisation gefördert wird. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit sind zwar reine Grundlagenforschung, aber durchaus von Relevanz auch für ein besseres Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung und anderer Phänomene mit Anwendungspotential.

So könnte magnetische Frustration den Schlüssel zum Verständnis kritischer metallischer Zustände bilden, die auch bereits früher in anderen Materialien beobachtet wurden. „Erst die komplementären hochempfindlichen Messungen in Augsburg und Peking ermöglichen diesen wichtigen Rückschluss“, so Prof. Dr. Alois Loidl von der Universität Augsburg, deutscher Sprecher des chinesisch-deutschen Kooperationsprojektes. Die „Sino-German Cooperation Group“ mit Gruppen aus Hangzhou, Beijing, Frankfurt und Augsburg ermöglicht intensiven wissenschaftlichen Austausch der beteiligten Arbeitsgruppen in China und Deutschland und fördert so exzellente Spitzenforschung.

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