Titan-Katalysator ermöglicht Reaktionen mit Hilfe von Licht

Kostengünstige und unschädliche Alternative für bislang verwendete Ruthenium- und Iridium-Katalysatoren

23.04.2020 - Deutschland

Chemiker der Universität Bonn und der Lehigh University in Bethlehem (USA) haben erstmals einen Titan-Katalysator entwickelt, der Licht für selektive chemische Reaktionen nutzbar macht. Er stellt eine kostengünstige und unschädliche Alternative für bislang verwendete Ruthenium- und Iridium-Katalysatoren dar, die auf sehr teuren und giftigen Metallen beruhen. Mit dem neuen Katalysator lassen sich hochselektiv chemische Produkte herstellen, die zum Beispiel als Grundlage für antivirale Medikamente oder lumineszierende Farbstoffe dienen können.

© Zhenhua Zhang

Kolben mit dem Titan-Katalysator und dem roten Farbstoff, die im Labor des Kekulé-Instituts für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn mit grünem Licht bestrahlt werden.

In chemischen Molekülen führen die Elektronen ungern ein Single-Dasein, sie kommen meistens paarweise vor. Dann sind sie besonders stabil und neigen nicht zu neuen Partnerschaften in Form neuer Verbindungen. Wenn jedoch mit Hilfe von Licht (Photonen) ein Teil der Elektronen auf ein höheres Energieniveau gebracht wird, sieht es mit dieser „Monogamie“ anders aus: In einem solch angeregten Zustand geben die Moleküle gern ein Elektron ab oder nehmen eines auf. Dadurch entstehen sogenannte „Radikale“, deren Solo-Elektronen sehr reaktiv sind und neue Verbindungen eingehen möchten.

Bestrahlung mit grünem Licht

Auf diesem Prinzip beruht der neue Katalysator: Im Zentrum befindet sich das Titan, das mit einem Kohlenstoffring verbunden ist, in dem die Elektronen besonders beweglich sind und sich leicht anregen lassen. Grünes Licht reicht aus, um mit Hilfe des Katalysators durch eine Elektronenübertragung reaktive organische Zwischenprodukte zu erzeugen, die sonst nicht leicht zugänglich sind. „Wir haben im Labor einen Reaktionskolben mit einem roten Farbstoff und dem Titankatalysator mit grünem Licht bestrahlt“, berichtet Prof. Dr. Andreas Gansäuer vom Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. „Und es hat sofort funktioniert.“ Aus dem Gemisch entstanden Radikale, die viele Reaktionszyklen in Gang setzen, aus denen verschiedenste chemische Produkte erzeugt werden können.

Wichtig bei den Reaktionen mit diesem Photo-Redox-Katalysator ist die Wellenlänge des Lichtes, das zur Bestrahlung verwendet wird. „Ultraviolette Strahlung ist ungeeignet, weil sie viel zu energiereich ist und die organischen Verbindungen zerstören würde“, sagt Gansäuer. Grünes Licht aus LED-Lampen ist gleichzeitig milde und energiereich genug, um die Reaktion in Gang zu setzen.

Katalysatoren sind Stoffe, die die Geschwindigkeit von chemischen Reaktionen erhöhen und die Aktivierungsenergie senken, ohne selbst verbraucht zu werden. Damit stehen sie dauerhaft zur Verfügung und setzen Reaktionen in Gang, die ansonsten so nicht ablaufen würden. Je nachdem, mit welchem organischen Molekül das Titan verbunden wird, lässt sich der Katalysator hinsichtlich der gewünschten Produkte maßschneidern. Die organische Chemie beruht auf Kohlenstoffverbindungen, die sich ähnlich wie mit einem Legobaukasten zusammenfügen lassen.

Bausteine für antivirale Medikamente oder lumineszierende Farbstoffe

Der neue Titan-Katalysator hilft bei der Produktion von Epoxiden – eine chemische Stoffgruppe, zu der auch das Epoxidharz gehört, das als Klebstoff oder für Verbundwerkstoffe verwendet wird. Die Wissenschaftler haben es jedoch nicht auf dieses Massenprodukt abgesehen, sondern auf die Synthese viel wertvollerer Feinchemikalien. „Mit dem auf Titan basierenden, maßgeschneiderten Photo-Redox-Katalysatoren lassen sich Bausteine zum Beispiel für antivirale Medikamente oder lumineszierende Farbstoffe herstellen“, sagt Gansäuer. Er ist zuversichtlich, dass diese neuen Katalysatoren eine kostengünstige und unschädliche Alternative für bislang verwendete Ruthenium- und Iridium-Katalysatoren darstellen, die auf sehr teuren und giftigen Metallen beruhen.

Die Entwicklung ist eine internationale Gemeinschaftsleistung von Zhenhua Zhang, Tobias Hilche, Daniel Slak, Niels Rietdijk und Andreas Gansäuer von der Universität Bonn sowie von Ugochinyere N. Oloyede und Robert A. Flowers II von der Lehigh University (USA). Während die Wissenschaftler der Universität Bonn erforschten, wie sich die gewünschten Verbindungen am besten mit dem neuen Katalysator synthetisieren lassen, führten die Kollegen aus den USA die Messungen zum Nachweis der Reaktionswege durch. „Die Lumineszenzeigenschaften des Titans eröffnen interessante neue Perspektiven, um das Design neuer und nachhaltiger Reaktionen mit freien Radikalen als Intermediaten zu ermöglichen“, sagt Prof. Robert Flowers von der Lehigh University.

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