Wenn aus theoretischer Chemie Praxis wird
Topologische 2D-Polymere werden Wirklichkeit
© Yu Jing
Ultradünne Materialien sind als Bausteine für nanoelektronische Bauelemente der nächsten Generation äußerst interessant, da es viel einfacher ist, Schaltungen und andere komplexe Strukturen herzustellen, indem man 2D-Schichten in die gewünschten Formen bringt. Thomas Heine, Professor für Theoretische Chemie an der TU Dresden, beschäftigt sich mit der Vorhersage solch innovativer Materialien. Ihre Eigenschaften können mit Hilfe moderner Methoden der Computerchemie präzise berechnet werden, noch bevor sie im Labor realisiert wurden.
Diese Forschung ist insbesondere für 2D-Polymere interessant: hier können aus der schier unendlichen Vielfalt ebener organischer Moleküle jene ausgewählt werden, die aufgrund ihrer Struktur als Bausteine für bestimmte Gittertypen geeignet sind. Ein besonders interessantes Beispiel ist das Kagome-Gitter, das aus den Eckpunkten und Kanten einer trihexagonalen Kachelung besteht. Yu Jing und Thomas Heine schlugen 2019 vor, solche 2D-Polymere aus dreieckigen organischen Molekülen (sogenannten Triangulenen) zu synthetisieren. Diese Materialien haben eine kombinierte Honigwaben-Kagome-Struktur (siehe Abbildung). Die Berechnungen zeigen, dass sie die Eigenschaften von Graphen (quasi masselose Ladungsträger) mit denen von Supraleitern (flache elektronische Bänder) vereinen.
Nun haben der italienische Materialwissenschaftler Giorgio Contini und sein internationales Team dieses 2D-Honigwaben-Kagome-Polymer synthetisiert, wie eine Veröffentlichung in Nature Materials berichtet. Durch eine innovative Oberflächen-synthesemethode konnten Kristalle mit solch hoher Qualität hergestellt werden, dass sie zur experimentellen Charakterisierung der elektronischen Eigenschaften geeignet waren. In der Tat wurden die vorhergesagten faszinierenden topologischen Eigenschaften offenbart. Damit konnte erstmals experimentell nachgewiesen werden, dass topologische Materialien über 2D-Polymere realisiert werden können.
Die Forschung an 2D-Polymeren wird damit auf eine solide Grundlage gestellt. Das hier beschriebene Kagome-Gitter ist nur ein Beispiel aus den hunderten Möglichkeiten, ebene Moleküle zu regulären Gittern zu verknüpfen. Für einige dieser Varianten wurden schon weitere interessante elektronische Eigenschaften theoretisch vorhergesagt. Es eröffnen sich somit zahlreiche neue Möglichkeiten für Theoretiker und Experimentatoren aus Chemie und Physik, Materialien mit bisher unbekannten Eigenschaften zu entwickeln.
Prof. Heine erläutert: „Diese Ergebnisse zeigen, dass 2D-Polymere Materialien mit nützlichen elektronischen Eigenschaften sein können, obwohl deren Strukturen mit Abständen von mehr als einem Nanometer zwischen den Gitterpunkten viel weitmaschiger sind. Voraussetzung ist eine sehr gute Qualität der Materialien. Dazu gehören eine hohe Kristallinität und eine sehr geringe Defektdichte. Ein weiterer wichtiger Beitrag der Kollegen um Prof. Contini ist, dass, obwohl die 2D-Polymere auf einer Metalloberfläche hergestellt wurden, sie abgelöst und auf jedes andere Substrat, wie Siliziumoxid oder Glimmer, übertragen und somit in elektronische Bauelemente eingebaut werden können.“
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