Kunststoffrecycling in der Krise
Wie das Coronavirus die Konkurrenz verschärft
(dpa) Plastik hat keinen guten Ruf. Weil der Kunststoff lange braucht, um biologisch abgebaut zu werden, treiben Plastiktüten und PET-Flaschen über Jahrhunderte in Flüssen und Meeren. Der Müll verstopft die Mägen von Seevögeln und Fischen, verdreckt das Wasser und sogar ganze Küstenstreifen. Weil die Abfallmengen trotzdem weiter steigen, ruhen viele Hoffnungen auf der Wiederverwertung. Längst hat sich ein ganzer Wirtschaftszweig rund um das Recycling entwickelt. Die Corona-Krise kommt für die Branche allerdings zur Unzeit.
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«Aufgrund der Corona-Krise sinkt die Nachfrage aus der Kunststoff verarbeitenden Industrie weiter mit dem Ergebnis fallender Preise sowohl für Neuware als auch Recyklate», sagt Herbert Snell, Vizepräsident des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung mit Sitz in Köln. «Dies führt beim Kunststoffrecycling zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen mit der Folge, dass einige Anlagen bereits abgestellt sind oder mit geringerer Leistung produzieren.»
Plastik zu recyceln, ist aufwendig und teuer. Zuerst müssen die Wiederverwerter den Kunststoffabfall einsammeln. Dann müssen sie das häufig extrem verdreckte Plastik reinigen und sortieren. Viele Sorten können nicht verwendet werden, weil ihre Qualität zu schlecht, ihre Zusammensetzung zu bunt ist. Da ist es für die Kunden häufig günstiger, neu produzierten Kunststoff zu verwenden - sei es für Verpackungen im Handel oder für Armaturenbretter im Auto.
In der Corona-Krise kommen zwei weitere Faktoren hinzu, die diese Konkurrenzsituation für die Recycling-Branche deutlich verschärfen: Eines davon ist die von Snell erwähnte eingebrochene Nachfrage wichtiger Industriekunden, von denen viele ihre Produktion runterfahren mussten.
Die entscheidende Rolle spielt aus Sicht von Peter Kurth jedoch der in der Krise dramatisch gesunkene Ölpreis. Das habe «zu einer erheblichen Preissenkung bei der Kunststoffneuherstellung geführt», ist der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) überzeugt. «Dagegen kommt das Recycling nicht an», sagt er. Verarbeitende Unternehmen, die bislang aus Preisgründen vor allem auf Recyclate gesetzt hätten, würden nun auf Neuware umschwenken, sagt auch Snell.
Diese Entwicklung trifft die Branche in einer kritischen Phase. Seit jeher war der Anteil von recycelten Kunststoffen in Industrieprodukten und Verpackungen gering: Im Jahr 2017 lag er laut der alle zwei Jahre erscheinenden Branchenstudie «Stoffstrombild Kunststoffe» bei rund 1,76 Millionen Tonnen und damit bei etwas mehr als 12 Prozent.
«Die Attraktivität der Recyklate war schon immer nicht so, wie man sich das gewünscht hätte», räumt auch Roman Maletz ein, Diplom-Ingenieur am Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden. «Aber zuletzt gab es einen deutlichen Aufwind.» Es sei ein Dialog entstanden zwischen Produzenten und der Verwertungsindustrie, um die Qualität des Plastiks zu verbessern. Die Politik habe Signale gesetzt, indem sie das Verpackungsgesetz auf den Weg gebracht, Recyclingquoten erhöht und auf EU-Ebene bestimmte Einwegprodukte verboten habe.
«In diese Aufbruchstimmung ist nun die Corona-Krise eingeschlagen», sagt Maletz. Die Branche ruft deshalb nach dem Staat. «Wir brauchen dringend eine Stimulation der Nachfrage für Recyclate, sonst werden einige mittelständische Kunststoffrecycler die Krise nicht überstehen», sagt etwa BVSE-Vize Snell. Und BDE-Präsident Kurth ergänzt: «Die verbalen Bekundungen aus der Politik haben leider nicht dazu geführt, dass die Instrumente geschaffen wurden, die die Nachfrage nach Recyclaten auch nur ansatzweise stabilisiert hätten.»
Umweltschützer sehen die Hilfsforderungen aus der Industrie kritisch. Wichtiger sei, Strategien zu fördern, mit denen Kunststoffabfälle generell weniger werden. An allererster Stelle stehe die Vermeidung, heißt es etwa vom BUND. Doch für Wissenschaftler Maletz geht es auch um einen Bewusstseinswandel bei den Verbrauchern. Global betrachtet könne durch Kunststoffrecycling nur ein geringer Teil aller CO2-Emissionen eingespart werden. «Und trotzdem ist es entscheidend, das zu machen, weil mit dieser Art und Weise transportiert wird, wie wir leben wollen und wie wir mit unseren Ressourcen umgehen.»