Besser als Cyclodextrine

Molekulare Sequestriermittel zum Entzug von Neurotransmittern aus wässriger Umgebung

19.06.2020 - USA

Zum Entzug von Giftstoffen, Medikamenten oder Geruchsstoffen aus der Umwelt werden behälterartige molekulare Substanzen verwendet, sogenannte Sequestriermittel. Wissenschaftler haben eine Gruppe solcher Substanzen entwickelt, die spezifisch Neurotransmitter-Medikamente sequestrieren. Die fassförmigen Moleküle namens Pillar[n]MaxQ binden 100.000-mal fester an Muskelrelaxanzien als etablierte makrozyklische Entgiftungsmittel, berichten die Forscher in der Zeitschrift Angewandte Chemie.

© Wiley-VCH

Molekulare Behälter nach Art der Cyclodextrine sequestrieren das Zielmolekül durch Bildung eines festen Wirt-Gast-Komplexes. Die ring- oder fassförmigen Moleküle erkennen ein molekulares Merkmal des Zielmoleküls und ziehen die Zielsubstanz dann durch wasserabstoßende Kräfte in den zentralen Hohlraum hinein. Sobald es sich in diesem molekularen Behälter befindet, ist es es neutralisiert. Unangenehme Gerüche werden durch die Bildung solcher Wirt-Gast-Komplexe mit ringförmigen Zuckermolekülen (Cyclodextrinen) beseitigt.

Cyclodextrine sind jedoch nicht sehr spezifisch. Für die Sequestrierung von Alkaloiden, einer Klasse von stickstoffhaltigen Chemikalien, darunter Neurotransmitter und viele Drogen, sind sie weniger geeignet. Für diese Verbindungen scheint eine Klasse von molekularen Behältern namens Pillararenen nützlicher zu sein. Sie halten das kohlenwasserstoffreiche molekulare Gerüst vieler Alkaloide durch Einwickeln in einem Zylinder aus aromatischen Benzoleinheiten fest.

Lyle Isaacs und sein Forschungsteam von der University of Maryland (USA) veränderten die Struktur der Pillararene weiter, um die Wirt-Gast-Komplexierung noch wirkungsvoller und die Erkennung spezifischer zu machen. „Wir planten, durch saure, funktionelle Sulfatgruppen eine höhere negative Ladungsdichte um die Öffnung des Hohlraums herum zu schaffen“, schrieben die Autoren. Die negativ geladenen Sulfatgruppen sollen die quartäre Ammoniumgruppe anziehen, die charakteristisch für viele klinisch wichtige Muskelrelaxanzien ist. Außerdem versteifen sie nach Vorstellung der Autoren die Fassstruktur der Pillararene, damit der Arzneistoff durch hydrophobe Kräfte glatt in den Hohlraum des Wirts gezogen wird.

Die Forscher tauften den molekularen Behälter Pillar[n]MaxQ, wobei n angibt, dass der Durchmesser des molekularen Fasses je nach Größe des Zielmoleküls variiert werden kann. Das Pillar[n]MaxQ band an verschiedene Muskelrelaxanzien bis zu 100.000-mal fester als das klinisch verwendete Cyclodextrin Sugammadex. Darüber hinaus unterschied der Sequestrierer die Muskelrelaxanzien vom natürlichen Neurotransmitter Acetylcholin, der Nervenimpulse innerhalb des zentralen und peripheren Nervensystems überträgt und nicht sequestriert werden sollte.

Die Autoren maßen die Festigkeit der Wirt-Gast-Komplexierung durch kalorimetrische Titriertechniken und mittels kernmagnetischer Resonanzspektroskopie an den Gastmolekülen. Da in Ratten bereits die Wirkung von Pillararenen als Neutralisierer von Muskelrelaxanzien nachgewiesen worden war, wollen die Forscher die Sequestrierwirkung von Pillar[n]MaxQ als nächstes auch im Tiermodell untersuchen. Wegen der festen Bindung und der Spezifität der chemisch maßgeschneiderten molekularen Behälter sind sie zuversichtlich, positive Resultate zu erzielen.

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