Neue Simulationsmethode für die Nanooptik entwickelt

Wechselwirkung zwischen Elektronen und Licht so exakt wie möglich beschreiben

02.09.2020 - Deutschland

Im Bereich von weniger als einem millionstel Millimeter erlauben Elektronenmikroskope spannende Einblicke in die Welt der Quantenphysik. Dank ihrer hohen Auflösung lassen sich mit ihnen die Eigenschaften von Materialien auf atomarer Ebene untersuchen und damit auch quantenphysikalische Grundlagen beobachten. Besonders aufschlussreich sind dafür die Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Photonen (Lichtteilchen). Werden Elektronen mit Laserlicht bestrahlt, ändert sich zum Beispiel ihre Energie, Schwung oder Geschwindigkeit. Mit Methoden, die Elektronenmikroskopie und Lasertechnik kombinieren, lassen sich diese Prozesse von wenigen billiardstel Sekunden („Femtosekunden“) abbilden.

© Nahid Talebi

Elektronenwellen einer Materialprobe beugen sich an einer stehenden Lichtwelle: Zum ersten Mal lässt sich dieses spezielle Beugungsmuster als Ergebnis einer Licht-Elektronen-Interaktion in einer Simulation darstellen. Das Muster verrät Eigenschaften des untersuchten Materials.

Professorin Nahid Talebi vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik (IEAP) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat eine neue Methode entwickelt, um diese Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Licht so genau wie aktuell möglich zu simulieren, ohne dafür auf ungenaue Näherungsmethoden zurückgreifen zu müssen. Dafür kombinierte sie die Schrödinger- und die Maxwell-Gleichung in einer zeitabhängigen Schleife miteinander – erstere beschreibt das ungewöhnliche wellenartige Verhalten von Elektronen, letztere das Verhalten von Licht. Ihre Simulation, die diese ultraschnellen Prozesse erstmals in Echtzeit abbildet, stellte Talebi kürzlich im Fachmagazin Physical Review Letters vor. Im Rahmen ihres ERC-Starting-Grant-Projektes „NanoBeam“, das vom Europäischen Forschungsrat gefördert wird, will sie damit langfristig auch Methoden der Elektronenmikroskopie verbessern.

Simulation bildet den Verlauf der Interaktionen erstmal als Film in Echtzeit ab 

Simulationen von Wechselwirkungen zwischen Licht und Elektronen können zwar Aufschlüsse über Grundlagen der Quantenphysik geben, sind jedoch zeitaufwendig und lassen sich nur mit Hochleistungscomputern durchführen. „Deshalb wird oft nur mit Näherungswerten und eindimensionalen Elektronenmodellen gearbeitet. Damit lassen sich aber nicht alle Interaktionen abbilden“, erklärt Talebi, Professorin für Nanooptik und Expertin für Simulationen. Ihre neu entwickelte Simulation kann diese komplexen Wechselwirkungen so exakt wie möglich beschreiben, weil sie ihren Verlauf erstmals als Film in Echtzeit zeigt.

Dafür simulierte Talebi zunächst die sogenannte Schrödinger-Gleichung. Als eine Grundlage der Quantenphysik beschreibt sie das ungewöhnliche Verhalten von Elektronen, die sich, obwohl sie Teilchen sind, wellenartig bewegen. Anschließend kombinierte sie das Ergebnis in einer zeitabhängigen Schleife mit einer Simulation der Maxwell-Gleichung, die das Verhalten von elektromagnetischen Wellen wie Licht beschreibt. Durch diese Kombination konnte Talebi simulieren, was passiert, wenn sich ein Elektron einer Nanostruktur aus Gold nähert, die zuvor durch einen Laser angeregt wurde. Ihre Simulation zeigt für jeden Zeitpunkt der Interaktion zwischen Elektron und Licht, wie sich jeweils Energie, Impuls und generelle Form der Wellenpakete der Elektronen ändern.

Mit ihrer Methode konnte Talebi außerdem erstmals ein besonderes Beugungsmuster in einer Simulation beobachten, das spezielle Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Photonen zeigt, den sogenannten Kapitza-Dirac-Effekt. Dieses Muster lässt zum Beispiel weitere Rückschlüsse auf Eigenschaften der untersuchten Materialprobe zu, wie die Änderung von Ladungsträgern. Es könnte daher in zeitaufgelösten Holografieverfahren genutzt werden.

ERC-Projekt will Methoden der Elektronenmikroskopie verbessern

"Wir haben damit zwar bereits einen großen Schritt hin zu einem besseren Verständnis von Elektronen-Licht-Wechselwirkungen gemacht, planen aber, die Methode noch weiterzuentwickeln. Zum Beispiel um auch relativistische Effekte und Spin-Eigenschaften abzubilden, die das Verhalten von Elektronen in Festkörpern ebenfalls beeinflussen“, so Talebi. Sie und ihr Team wollen in einem nächsten Schritt außerdem Interaktionen zwischen mehreren Elektronen untereinander beschreiben können.

Die Erkenntnisse, die Talebi durch ihre theoretischen Simulationen über das Verhalten von Elektronen gewinnt, will sie auch dafür nutzen, um Elektronenmikroskope weiterzuentwickeln. Ziel ihres Projektes „NanoBeam“ ist es unter anderem, neue Messmethoden für Rasterelektronenmikroskope entwickeln, um damit ultrakurze Prozesse auf Nanoebene besser untersuchen zu können. Das Projekt wird seit 2019 im Rahmen eines ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (European Research Council) mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert.

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