Wie sich Elektronen in Wasser erzeugen und steuern lassen
Überraschende Ergebnisse enthüllen einen neuen Aspekt extrem starker elektrischer Felder in Wasser
MBI
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Das Wassermolekül H2O besitzt auf Grund der unterschiedlichen Elektronendichte des Sauerstoff-(O)- und der Wasserstoff-(H)-Atome ein elektrisches Dipolmoment (Abb. 1a). In flüssigem Wasser rufen diese molekularen Dipole ein elektrisches Feld hervor, dessen Stärke auf einer Femtosekunden-Zeitskala (1 Femtosekunde = 10-15 Sekunden = ein Milliardstel einer Millionstel Sekunde) fluktuiert und für kurze Zeit Spitzenwerte von bis zu 300 MV/cm (300 Millionen Volt pro cm) erreicht (Abb. 1b). Bei solch hohen elektrischen Feldern kann ein Elektron seinen gebundenen Zustand im Wassermolekül, ein Molekülorbital (Abb. 1b), verlassen und durch eine Energiebarriere in die umgebende Flüssigkeit tunneln, was einen quantenmechanischen Ionisationsprozess darstellt. Im Gleichgewicht kehrt das Elektron extrem schnell in seinem Ausgangszustand zurück, da das fluktuierende Feld keine Vorzugsrichtung aufweist und sich das Elektron deshalb nicht vom Ort der Ionisation entfernt. Wegen der effizienten Ladungsrekombination bleibt die Zahl ungebundener (freier) Elektronen sehr gering, sie beträgt im zeitlichen Mittel weniger als ein Milliardstel der Zahl von Wassermolekülen.
Forscher des Max-Born-Instituts haben jetzt gezeigt dass ein äußeres elektrisches Feld im Frequenzbereich um 1 Terahertz (1 THz = 1012 Hz, ca. 500mal höher als typische Handyfrequenzen) die Zahl freier Elektronen bis zum Tausendfachen erhöhen kann. Das THz-Feld besitzt eine maximale Stärke von 2 MV/cm, also weniger als 1% der Stärke des fluktuierenden Feldes; es hat jedoch eine räumliche Vorzugsrichtung (Abb. 2). Entlang dieser Vorzugsrichtung werden die durch das fluktuierende Feld erzeugten Elektronen beschleunigt und erreichen eine kinetische Energie von ca. 11 eV, die Ionisationsenergie des Wassermoleküls. Hierdurch wird die Ladungsrekombination am Ionisationsort unterdrückt. Die Elektronen bewegen sich über Distanzen von vielen Nanometern (1 Nanometer = 10-9 m) bevor sie an einem anderen Ort in der Flüssigkeit lokalisiert werden. Dieser Prozess ruft starke Änderungen der Absorption und des Brechungsindex der Flüssigkeit hervor (Abb. 2c), über die in den Experimenten die Elektronendynamik mit der Methode der sog. zweidimensionalen THz-Spektroskopie (Abb. 2a) zeitaufgelöst verfolgt wurde.
Diese überraschenden Ergebnisse enthüllen einen neuen Aspekt extrem starker elektrischer Felder in Wasser, das Auftreten spontaner Tunnelionisationsprozesse. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Eigendissoziation von H2O-Molekülen in OH-- und H3O+-Ionen spielen. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen wie durch Anwendung maßgeschneiderter starker THz-Felder Erzeugung, Transport und Lokalisierung von Ladungen, d.h. grundlegende elektrische Eigenschaften von Flüssigkeiten manipuliert werden können.