Umweltfreundliche Plastikalternative: neuartiger Kunststoff aus Abfall
Polymere werden vollständig durch Mikroorganismen biotechnologisch synthetisiert
© Fraunhofer IPK/Andy King
Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie werden nicht nur zu Verpackungen und Konsumgütern verarbeitet, sondern sind auch in industriellen Anwendungen wie dem Automobilbau oder der Medizintechnik unerlässlich. Kunststoffe aus fossilen Rohstoffquellen werden nur in begrenztem Umfang wiederverwendet und recycelt, zudem bauen sie sich nur sehr langsam ab und verschmutzen die Umwelt nachhaltig. Zeugnis der Verschmutzung sind riesige Müllinseln aus Plastik, die auf unseren Weltmeeren treiben. Plastikflaschen und -tüten verschandeln Strände und vielerorts ganze Landstriche.
Forschungsinitiative »Bioökonomie International«
Da Kunststoffe überall auf der Welt genutzt werden, sind dringend globale Verwertungsstrategien erforderlich. Immer mehr Regierungen setzen daher auf Verbote, um des Plastikmülls Herr zu werden. Bisher lassen sich fossile Kunststoffe nicht im großen Stil ersetzen – daher hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF die Forschungsinitiative »Bioökonomie International« ins Leben gerufen, in enger Kooperation mit dem Fraunhofer IPK, dem Fachgebiet für Bioverfahrenstechnik der TU Berlin, regionalen Industriepartnern und internationalen Forschungspartnern aus Malaysia, Kolumbien und den USA. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten ein Verfahren zur Produktion von Polymeren, das ohne hochwertige Rohstoffe wie Mineral-, Palm- oder Rapsöl auskommt, deren Verarbeitung für die Umwelt sehr schädlich ist.
Neuer Kunststoff ist vergleichbar mit Polypropylen
Der Kunststoff Polyhydroxybuttersäure (PHB) wird in dem neuen Verfahren aus industriellen Reststoffen wie beispielsweise Abfallfetten mit hohem mineralischem Reststoffanteil hergestellt. In speziellen Fermentationsprozessen können Mikroorganismen diese Reststoffe verstoffwechseln. Sie lagern das PHB als Energiespeicher in ihren Zellen ein. »Nachdem der Kunststoff aus der Zelle der Organismen herausgelöst wurde, lässt er sich jedoch noch nicht industriell verwerten, da er viel zu langsam erstarrt«, sagt Christoph Hein, Abteilungsleiter Mikroproduktionstechnik am Fraunhofer IPK. Durch spezielle Nachbearbeitungsschritte wird das Rohmaterial daher mit chemischen Zusatzstoffen gemischt. Indem sie Plastifizierungs- und Verarbeitungsparameter anpassten, konnten die Forschungsteams beispielsweise die Rekristallisationszeit so modifizieren, dass sie den industriellen Anforderungen an die Verarbeitungszeit gerecht wurde. Das Ergebnis ist ein Kunststoff, der vergleichbare Eigenschaften wie Polypropylen (PP) aufweist. Im Gegensatz zu PP ist er allerdings in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten vollständig abbaubar.
Bei dieser Art der Kunststoffherstellung werden die Polymere vollständig durch Mikroorganismen biotechnologisch synthetisiert. »Dazu wandeln wir biogene Reststoffe wie beispielsweise Abfallfette in technisch nutzbare Polyester um«, erläutert Hein. Als Biokatalysatoren setzen der Forscher und sein Team molekulargenetisch modifizierte Mikroorganismen ein. Mithilfe chemischer Reinigungsprozesse und einer umfangreichen Werkstoffoptimierung konnten sie so eine neuartige Werkstofffamilie entwickeln, die den Anforderungen an technische Kunststoffe entspricht.
Verfahren benötigt keine erdölbasiserten Synthesebestandteile
Das neue Verfahren kommt nicht nur komplett ohne erdölbasierte Synthesebestandteile aus, es ermöglicht auch einen umweltverträglichen Abbauprozess. Die entwickelten Kunststoffe können durch natürlich vorkommende Mikroorganismen abgebaut werden und sind dabei nicht an spezifische Abbaubedingungen in industriellen Kompostanlagen gebunden. Vor allem Einwegprodukte und sonstige Wegwerfartikel lassen sich dadurch auf umweltschonende Art herstellen und abbauen.
Auch hochwertige Kunststoffteile für bestimmte technische Verwendungszwecke und -dauern kann man auf diese Weise herstellen. Solche Produkte unterliegen besonderen qualitativen Ansprüchen. Sie benötigen spezielle Form- und Lagetoleranzen und Oberflächenqualitäten, oder müssen besonders präzise reproduzierbar sein. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, entwickelten die Wissenschaftler hochspezialisierte Replikationsprozesse.