KIT und Audi arbeiten an chemische Recycling-Methode für automobile Kunststoffe
Abfälle aus technischen Kunststoffen werden zu Pyrolyseöl verarbeitet, das für neue Bauteile eingesetzt werden kann
Markus Breig, KIT
„Automobile Kunststoffe zu recyceln, ist bisher für viele Bauteile nicht möglich, deshalb leisten wir hier mit Audi Pionierarbeit“, sagt Professor Dieter Stapf, Leiter des Instituts für Technische Chemie am KIT und im THINKTANK engagiert. „Wenn wir die Kreisläufe schließen wollen, dann müssen wir hierfür geeignete Verfahren entwickeln.“ Chemisches Recycling ist bisher die einzige Methode, mit der es möglich ist, solche gemischten Kunststoffabfälle wieder in Produkte mit Neuwarenqualität umzuwandeln. Dadurch könne eine größere Bandbreite an Kunststoffen wiedergewonnen werden, so Stapf. „So geschlossene Materialkreisläufe sparen wertvolle Ressourcen, weil weniger Primärmaterial benötigt wird. Dies wiederum spart Energie und Kosten – und ist gut für die Umwelt“ sagt Dr. Rebekka Volk vom Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion des KIT.
Das Pilotprojekt „Chemisches Recycling von Kunststoffen aus dem Automobilbau“ führt der THINKTANK Industrielle Ressourcenstrategien durch, den die baden-württembergische Landesregierung gemeinsam mit der Industrie und mit Unterstützung der Wissenschaft am KIT eingerichtet hat. „Der verantwortungsvolle Umgang mit Rohstoffen ist die gemeinsame Verantwortung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Im THINKTANK bündeln wir alle Kompetenzen, um uns dieser großen Herausforderung im Dienste von Gesellschaft und Umwelt zu stellen“, so Professor Thomas Hirth, Vizepräsident des KIT für Innovation und Internationales und Sprecher des THINKTANKS.
„Das chemische Recycling kann einen ganz wesentlichen Baustein für ein umfassendes Kunststoffrecycling bilden. Das macht es so interessant für die Automobilindustrie. Der THINKTANK und Audi gehen gemeinsam ein zentrales Thema an, zukünftig Automobile unabhängig vom Antrieb nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Der ganzheitliche Blick auf Rohstoffkreisläufe steht im Fokus des THINKTANKS“, so der Geschäftsführer des THINKTANKS, Dr. Christian Kühne.
Audi zählt zu den ersten Automobilherstellern, der diese Recyclingmethode in einem Pilotprojekt mit Kunststoffen aus der Automobilproduktion testet. „Wir wollen intelligente Kreisläufe in unseren Lieferketten etablieren und Ressourcen effizient einsetzen“, sagt Marco Philippi, Leiter Beschaffungsstrategie bei Audi. „Chemisches Recycling birgt hierfür großes Potenzial: Wenn Kunststoffbauteile ohne Qualitätsverlust anstatt aus Erdöl aus Pyrolyseöl hergestellt werden können, wäre es möglich, den Anteil an nachhaltig hergestellten Teilen im Auto signifikant zu erhöhen. Auf lange Sicht kann dieses Verfahren auch im Altfahrzeugrecycling eine Rolle spielen.“
Das Pilotprojekt „Chemisches Recycling von Kunststoffen aus dem Automobilbau“ zielt darauf, intelligente Kreisläufe für Kunststoffe zu schaffen sowie diese Methode als Ergänzung für mechanisches Recycling und anstelle energetischer Verwertung zu etablieren. Mit dem THINKTANK am KIT als Partner will Audi zunächst die technische Machbarkeit des chemischen Recyclings testen und das Verfahren auf Wirtschaftlichkeit und Umweltauswirkung bewerten. Das Unternehmen stellt dafür nicht mehr benötigte Kunststoff-Bauteile wie Kraftstofftanks, Radzierblenden oder Kühlerschutzgitter aus Audi-Modellen zur Verfügung, die beispielsweise aus dem deutschen Händlernetzwerk zurückkehren. Diese Kunststoff-Bauteile werden durch chemisches Recycling zu Pyrolyseöl verarbeitet. Mittelfristig können Bauteile aus Pyrolyseöl erneut in Automobilen verwendet werden. Gelingt es, die technische Machbarkeit nachzuweisen, will Audi das Verfahren industrialisieren und dann sukzessive auf mehr und mehr Teile anwenden.
Pyrolyseverfahren für nachhaltigere Produkte
Forschung und Technologieentwicklung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft sind ein Kernthema am KIT. „Wir untersuchen systematisch, was mit der Pyrolyse erreicht werden kann und wie Pyrolyseverfahren in großem Maßstab konzipiert werden müssen, damit Abfälle möglichst weitgehend rohstofflich verwertet werden können“, sagt Stapf. Das chemische Recycling von Kunststoffabfällen könne so moderne Produkte nachhaltiger machen und Treibhausgasemissionen vermeiden.