Zwei, sechs, viele
Phasenübergänge: Emergenz von kollektivem Verhalten beobachtet
Jonas Ahlstedt / Lund University Bioimaging Centre (LBIC)
Um effektive Theorien in der Physik formulieren zu können, werden mikroskopische Details vernachlässigt zugunsten einer Beschreibung makroskopisch beobachtbarer Größen. Der Inhalt einer Tasse Wasser lässt sich etwa durch Eigenschaften wie Druck, Temperatur und Dichte der Flüssigkeit effizient beschreiben; die Position und Geschwindigkeit der einzelnen Wassermoleküle spielen dabei keine Rolle. Ein Phasenübergang beschreibt den Wechsel eines makroskopischen Systems von einem Zustand der Materie, zum Beispiel flüssig, in einen anderen Zustand, zum Beispiel gasförmig. Diese Eigenschaften der makroskopischen Systeme – sogenannte Vielteichensysteme – können als emergent bezeichnet werden: Sie ergeben sich erst aus dem Zusammenwirken der Einzelteile, die selbst diese Eigenschaften nicht aufweisen.
„Seit langem beschäftigt mich die Frage, wie diese dramatische makroskopische Veränderung bei einem Phasenübergang aus der mikroskopischen Beschreibung entsteht“, sagt Selim Jochim. Zur Beantwortung dieser Frage entwarfen die Forscher ein Experiment, bei dem sie ein System aus einzelnen, ultrakalten Atomen zusammengesetzt haben. Mithilfe dieses Quantensimulators untersuchten sie, wie kollektives Verhalten in einem mikroskopischen System entsteht. Zu diesem Zweck wurden bis zu zwölf Atome in einem stark fokussierten Laserstrahl eingefangen. In diesem künstlichen System ist es möglich, die Stärke der Wechselwirkung zwischen den Atomen kontinuierlich über einen so großen Bereich zu verstellen, dass sie entweder komplett zu vernachlässigen oder die größte Energieskala im System ist. „Die Anzahl der Teilchen ist einerseits klein genug für eine mikroskopische Beschreibung des Systems. Andererseits zeigen sich hier schon kollektive Effekte“, erläutert Luca Bayha, Postdoktorand im Team von Prof. Jochim.
Die Heidelberger Physiker haben in ihrem Experiment den Quantensimulator so konfiguriert, dass sich die Atome gegenseitig anziehen und bei starker Anziehung Paare bilden. Diese Atom-Paare sind der notwendige Bestandteil für einen Phasenübergang zu einer Supraflüssigkeit – ein Zustand, bei dem Teilchen ohne Reibung strömen. Die Frage, wann es zu dieser Paarbildung in Abhängigkeit von der Stärke der Wechselwirkung sowie der Anzahl der Teilchen kommt, stand im Mittelpunkt der Untersuchungen. „Das überraschende Ergebnis unseres Experimentes ist, dass sich bereits mit sechs Atomen alle Anzeichen des Phasenübergangs beobachten lassen, die für ein Vielteilchen-System erwartet werden“, so Marvin Holten, Doktorand in der Gruppe von Selim Jochim.
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