Ein Molekül gehorcht dem Licht
Eine neue Licht-Spin-Schnittstelle mit Europium(III)-Molekül bringt die Entwicklung von Quantencomputern voran
S Kuppusamy, KIT
Ob bei der Arzneimittelentwicklung, in der Kommunikation oder für Klimaprognosen: Informationen schnell und effizient zu verarbeiten, ist in vielen Bereichen entscheidend. Dazu dienen derzeit digitale Computer, die mit sogenannten Bits arbeiten. Der Zustand eines Bit ist entweder 0 oder 1 – dazwischen gibt es nichts. Dies begrenzt die Leistung der Digitalcomputer stark, und es wird immer schwieriger und zeitaufwendiger, komplexe Probleme mit Bezug zu realen Aufgaben zu bewältigen. Quantencomputer hingegen verwenden Quantenbits zur Verarbeitung von Informationen. Ein Quantenbit (Qubit) kann sich aufgrund einer speziellen quantenmechanischen Eigenschaft, der Quantensuperposition, gleichzeitig in vielen verschiedenen Zuständen zwischen 0 und 1 befinden. Dies ermöglicht es, Daten parallel zu verarbeiten. Dadurch steigt die Rechenleistung von Quantencomputern gegenüber digitalen Computern exponentiell.
Überlagerungszustände eines Qubit müssen lange genug bestehen
„Um praktisch einsetzbare Quantencomputer zu entwickeln, sollten die Überlagerungszustände eines Qubit für eine ausreichend lange Zeit bestehen. Die Forschung spricht dabei von Kohärenzlebensdauer“, erklärt Professor Mario Ruben, Leiter der Forschungsgruppe „Molecular Quantum Materials“ am Institut für Quantenmaterialien und -technologien (IQMT) des KIT sowie am European Center for Quantum Sciences – CESQ an der Universität Straßburg. „Die Superpositionszustände eines Qubit sind jedoch fragil und werden durch Fluktuationen in der Umgebung gestört, was zur Dekohärenz, das heißt zur Verkürzung der Kohärenzlebensdauer führt.“ Um den Superpositionszustand lange genug für Rechenoperationen zu erhalten, ist die Isolierung eines Qubit von der verrauschten Umgebung denkbar. Kernspinniveaus in Molekülen können dazu dienen, Superpositionszustände mit langen Kohärenzlebensdauern zu erzeugen, da Kernspins durch außen liegende elektronische Orbitale gut von der Umgebung abgeschirmt sind und die Superpositionszustände eines Qubit vor störenden äußeren Einflüssen schützen.
Moleküle eignen sich ideal als Qubit-Systeme
Allerdings genügt ein einziges Qubit nicht, um einen Quantencomputer zu bauen. Dafür bedarf es vieler Qubits, die organisiert und adressiert werden müssen. Moleküle stellen ideale Qubit-Systeme dar, weil sie sich in ausreichend großer Zahl als identische skalierbare Einheiten anordnen und mit Licht adressieren lassen, um Qubit-Operationen durchzuführen. Darüber hinaus lassen sich die physikalischen Eigenschaften von Molekülen, wie Emission und/oder magnetische Eigenschaften, durch Veränderung ihrer Struktur mithilfe von chemischen Designprinzipien maßschneidern. In ihrer nun in der Zeitschrift Nature Communications erschienenen Publikation stellen Forschende um Professor Mario Ruben am INT des KIT und Dr. Philippe Goldner an der École nationale supérieure de chimie de Paris (Chimie ParisTech – CNRS) ein kernspinhaltiges dimeres Europium(III)-Molekül als lichtadressierbares Qubit vor.
Das Molekül, das zu den Metallen der Seltenen Erden gehört, ist so konstruiert, dass es bei Anregung von ultraviolettem Licht absorbierenden Liganden, die das Zentrum umgeben, eine Lumineszenz zeigt, das heißt eine Europium(III)-zentrierte sensibilisierte Emission. Nach der Lichtabsorption übertragen die Liganden die Lichtenergie auf das Europium(III)-Zentrum und regen es dadurch an. Die Relaxation des angeregten Zentrums zum Grundzustand führt zur Lichtemission. Der gesamte Prozess wird als sensibilisierte Lumineszenz bezeichnet. Durch spektrales Lochbrennen – spezielle Experimente mit Laser – wird die Polarisierung der Kernspinniveaus detektiert, was auf die Erzeugung einer effektiven Licht-Kernspin-Grenzfläche hinweist. Diese ermöglicht die Erzeugung von lichtadressierbaren Hyperfein-Qubits auf der Basis von Kernspinniveaus. „Indem wir erstmals die Polarisierung an einer Licht-Kernspin-Grenzfläche, die mit dem Kernspins des Europium(III)-Ions assoziiert ist, in einem Molekül demonstriert haben, ist uns ein vielversprechender Schritt hin zur Entwicklung von Quantencomputer-Architekturen auf der Basis von Seltene-Erden-Ionen-haltigen Komplexen gelungen“, erklärt Philippe Goldner.