KI-Agent hilft, Materialeigenschaften schneller zu identifizieren

Bei Hochdurchsatz-Röntgenbeugungsmessungen fallen riesige Datenmengen an - Dank des Agenten werden sie schneller nutzbar

21.04.2021 - Deutschland

künstliche Intelligenz (KI) kann große Datenmengen, wie sie bei der Analyse der Eigenschaften potenzieller neuer Materialien entstehen, schneller analysieren als Menschen. Allerdings neigen solche Systeme auch angesichts von Unsicherheiten oft zu definitiven Entscheidungen, sie überschätzen sich. Ein internationales Forschungsteam hat das der KI abgewöhnt: Die Forschenden entwickelten einen Algorithmus so weiter, dass er mit dem Menschen zusammenarbeitet und Entscheidungen unterstützt. So lassen sich vielversprechende neue Materialien schneller identifizieren.

© Lehrstuhl Materials Discovery and Interfaces

Bei der Suche nach aussichtsreichen neuen Materialien in Materialbibliotheken kann künstliche Intelligenz helfen, umfangreichen Röntgenbeugungsdaten schneller und besser zu analysieren.

Für die Arbeiten kooperierte ein Team um Dr. Phillip M. Maffettone (mittlerweile am National Synchrotron Light Source II in Upton, USA) und Prof. Dr. Andrew Cooper vom Department of Chemistry and Materials Innovation Factory der University of Liverpool mit der Bochumer Gruppe um Lars Banko und Prof. Dr. Alfred Ludwig vom Lehrstuhl Materials Discovery and Interfaces sowie Yury Lysogorskiy vom Interdisciplinary Centre for Advanced Materials Simulation.

Bisher manuell, zeitaufwändig, fehleranfällig

Für die Entdeckung neuer Materialien zum Beispiel für die Energiesysteme der Zukunft spielt eine effiziente Analyse von Röntgenbeugungsdaten (XRD) eine entscheidende Rolle. Damit werden die Kristallstrukturen und deren Anordnung von Kandidaten neuer Materialien analysiert, um etwa herauszufinden, für welche Einsatzmöglichkeiten sie sich eignen könnten. XRD-Messungen wurden in den vergangenen Jahren durch Automatisierung bereits deutlich beschleunigt und liefern bei der Messung von Materialbibliotheken große Datenmengen. „Allerdings sind XRD-Analysetechniken größtenteils immer noch manuell, zeitaufwändig, fehleranfällig und nicht skalierbar“, so Alfred Ludwig. „Um künftig mittels autonomer Hochdurchsatzexperimente neue Materialien schneller entdecken und optimieren zu können, braucht es neue Methoden.“

In der Veröffentlichung zeigt das Team, wie mittels künstlicher Intelligenz die XRD-Datenauswertung schneller und besser werden kann. Die Lösung ist ein KI-Agent namens Crystallography Companion Agent, kurz XCA, der mit den Forschenden zusammenarbeitet. XCA kann autonome Phasenidentifikationen aus XRD-Daten durchführen, während diese gemessen werden. Der Agent eignet sich sowohl für organische als auch anorganische Materialsysteme. Ermöglicht wird dies durch die großskalige Simulation von physikalisch korrekten Röntgenbeugungsdaten, mit denen der Algorithmus trainiert wird.

Expertendiskussion wird simuliert

Eine Besonderheit des Agenten, den das Team für die aktuelle Aufgabe angepasst hat, ist zudem, dass er die Selbstüberschätzung traditioneller neuronaler Netzwerke überwindet: Diese liegt darin, dass sie eine finale Entscheidung abgeben, auch wenn die Datenlage keine eindeutige Aussage zulässt. Ein Wissenschaftler hingegen würde seine Unsicherheit mitteilen und Ergebnisse mit anderen Forschenden diskutieren. „Diese Entscheidungsfindung in der Gruppe wird hier durch ein Ensemble von neuronalen Netzwerken simuliert, ähnlich einer Abstimmung unter Experten“, erläutert Lars Banko. Beim XCA bildet ein Ensemble aus neuronalen Netzen sozusagen das Expertengremium, welches eine Empfehlung an die Wissenschaftler abgibt. „Dies wird ohne manuelle, vom Menschen markierte Daten erreicht und ist robust gegenüber vielen Quellen der experimentellen Komplexität“, so Banko.

XCA ist auch auf andere Formen der Charakterisierung erweiterbar wie zum Beispiel die Spektroskopie. „Diese Entwicklung ergänzt die jüngsten Fortschritte in der Automatisierung und im autonomen Experimentieren und ermöglicht so einen wichtigen Schritt in der beschleunigten Entdeckung neuer Materialien“, so Alfred Ludwig.

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