Neues zweidimensionales Material durch Hochdruck-Technologien entdeckt

Chemische Verbindung hergestellt, die zuvor völlig unbekannt war

29.04.2021 - Deutschland

Einem internationalen Team mit Forschern der Universität Bayreuth ist es erstmals gelungen, durch den Einsatz moderner Hochdruck-Technologien ein bisher unbekanntes zweidimensionales Material zu entdecken. Das neue Material, Beryllonitren, besteht aus regelmäßig angeordneten Stickstoff- und Beryllium-Atomen. Es besitzt eine ungewöhnliche, für Anwendungen in der Quantentechnologie hochattraktive elektronische Gitterstruktur. Für die Synthese war ein Kompressionsdruck erforderlich, der rund eine Million Mal höher ist als der Druck der Erdatmosphäre.

M. Bykov

Das elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner Kristallstruktur und sieht wie eine leicht verzerrte Bienenwabe aus. Daraus ergeben sich elektronische Eigenschaften, die für quantentechnologische Anwendungen genutzt werden könnten.

Seit der Entdeckung des aus Kohlenstoff-Atomen aufgebauten Graphens ist das Interesse an zweidimensionalen Materialien in Forschung und Industrie ständig gewachsen. Unter extrem hohen Drücken von bis zu 100 Gigapascal haben Forscher der Universität Bayreuth jetzt gemeinsam mit internationalen Partnern neuartige Verbindungen hergestellt, die sich aus Stickstoff- und Beryllium-Atomen zusammensetzen. Es handelt sich um Beryllium-Polynitride, von denen einige dem monoklinen, andere dem triklinen Kristallsystem angehören. Die triklinen Beryllium-Polynitride legen, wenn der Druck sinkt, ein ungewöhnliches Verhalten an den Tag: Sie nehmen eine aus Schichten aufgebaute Kristallstruktur an. Jede Schicht enthält zickzackförmige Stickstoffketten, die durch Beryllium-Atome verbunden sind. Sie kann deshalb als eine flächige Struktur beschrieben werden, die aus BeN₄-Fünfecken und Be₂N₄-Sechsecken besteht. Somit stellt jede Schicht ein zweidimensionales Material dar, Beryllonitren.

Beryllonitren ist ein qualitativ neues 2D-Material. Im Unterschied zum Graphen ergibt sich aus der zweidimensonalen Kristallstruktur des Beryllonitrens ein elektronisches Gitter, das leicht verzerrt ist. Wegen der daraus resultierenden elektronischen Eigenschaften wäre Beryllonitren, falls es sich eines Tages im Industriemaßstab herstellen ließe, hervorragend für Anwendungen in der Quantentechnologie geeignet. In diesem noch jungen Gebiet von Forschung und Entwicklung geht es darum, quantenmechanische Eigenschaften und Strukturen von Materie für technische Innovationen zu nutzen – beispielsweise für den Bau von Hochleistungscomputern oder für neuartige Verschlüsselungstechniken mit dem Ziel einer sicheren Kommunikation.

„Erstmals ist es jetzt der Hochdruck-Forschung gelungen, in enger internationaler Zusammenarbeit eine chemische Verbindung herzustellen, die zuvor völlig unbekannt war. Diese Verbindung kann als Präkursor für ein 2D-Material mit einzigartigen elektronischen Eigenschaften dienen. Dieser faszinierende Erfolg war nur mit Hilfe eines im Labor erzeugten Kompressionsdrucks möglich, der nahezu eine Million Mal höher ist als der Druck der Erdatmosphäre. Unsere Studie beweist damit erneut das außerordentliche Potenzial der materialwissenschaftlichen Hochdruck-Forschung“, sagt Ko-Autorin Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth.

„Ein Verfahren für die Herstellung von Beryllonitren im Industriemaßstab wird es nicht geben können, solange dafür extrem hohe Drücke erforderlich sind, die sich nur im Forschungslabor erzeugen lassen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass die neue Verbindung bei der Dekompression entstanden ist und unter Umgebungsbedingungen existieren kann. Grundsätzlich können wir nicht ausschließen, dass es eines Tages möglich sein wird, Beryllonitren oder ein ähnliches 2D-Material mit technisch weniger aufwändigen Verfahren nachzubauen und industriell zu nutzen. Mit unserer Studie haben wir der Hochdruck-Forschung eine neue Perspektive für die Entwicklung technologisch attraktiver 2D-Materialien eröffnet, die das Graphen möglicherweise übertreffen werden“, sagt Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth, korrespondierender Autor der Studie.

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