Magnesium-Chemie auf den Kopf gestellt
Bahnbrechende Erkenntnisse: Forschungsteam entdeckt vollkommen neuartige Magnesium-Komplexe
pixabay.com/
Magnesium (Mg) ist im Periodensystem der Elemente ein Metall mit niedriger Elektronegativität: Das heißt, es zieht Elektronen kaum an und verliert bei chemischen Reaktionen beide in der äußeren Schale vorhandenen Elektronen leicht. In Verbindung mit anderen Elementen kommt es in der Natur daher nur als positiv geladenes Mg2+-Kation vor. In dieser stabilsten Form findet man Mg2+ auch in verschiedenen Mineralien oder in Chlorophyll, dem Farbstoff, der Pflanzen grün macht.
Normalerweise zweifach positiv geladen, nun Oxidationsstufe Null
Das FAU-Team um Prof. Dr. Sjoerd Harder, Lehrstuhl für Anorganische und Metallorganische Chemie, entdeckte nun erste Mg Komplexe, in denen das Metall die Oxidationsstufe Null hat. Oxidationszahlen in chemischen Verbindungen geben die Ionenladung der Atome an, das heißt hier, dass es den Forschenden sozusagen gelungen ist, elementares Mg in Komplexverbindungen zu isolieren.
Wie so oft in der Wissenschaft handelte es sich auch hierbei um eine zufällige Entdeckung: Das Forschungsteam hatte vor, Magnesium-Magnesium-Bindungen zu spalten, um Magnesium-Radikale herzustellen. Bei dieser Synthese wurde Natriummetall eingesetzt. Der Versuchsaufbau sah vor, dass Natrium ein Elektron an Magnesium abgeben sollte. Doch erstaunlicherweise gaben zwei Natrium-Atome Elektronen an Magnesium ab und es bildete sich ein zuvor noch nie beobachteter Mg(0)-Komplex. Die Mg-Zentren in diesen Komplexen tragen aufgrund von einer einzigartigen Magnesium-Natrium-Bindung formal sogar eine negative Ladung und reagieren dadurch völlig anders als gewöhnliche Mg2+-Verbindungen. Während die elektronenarmen Mg2+-Kationen Elektronen aufnehmen können, reagiert das elektronenreiche Mg(0) wie ein negativ geladenes Anion durch Elektronenabgabe.
Dieser Komplex ist in organischen Lösungsmitteln wie Toluol oder Benzol löslich und ein extrem starkes Reduktionsmittel, also ein Stoff, der Elektronen an einen anderen Stoff abgibt. Bereits leichtes Erhitzen führte in den Experimenten dazu, dass Mg(0) seine Elektronen teilweise an das positiv geladene Natrium-Kation (Na+) abgab, welches hierdurch zu elementarem Natriummetall (Na0) wurde. Dabei ist Natrium ein Metall, das normalerweise selbst eine starke Tendenz zur Abgabe von Elektronen hat. Bei dieser Reaktion entstand ein neuartiger Komplex: drei Magnesium-Atome, die sich wie Perlen auf einer Kette hintereinander aufreihen. Dieser dreikernige Magnesium-Cluster reagiert wie atomares Mg(0) und kann als das kleinste Stück Magnesiummetall angesehen werden – ein Stück Metall, das in dieser Form in organischen Lösungsmitteln löslich ist. Diese neue Klasse der Magnesium-Komplexe stellt die Magnesium-Chemie komplett auf den Kopf. Die FAU-Forschenden um Prof. Harder erwarten eine weitere ungewöhnliche Reaktivität dieses löslichen, extrem starken Reduktionsmittels.
Originalveröffentlichung
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Chemie-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für die chemische Industrie, Analytik, Labor und Prozess bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.