Für vielfältige Anwendungen, von der faseroptischen Telekommunikation bis zu bildgebenden Verfahren für die Biomedizin werden im nahen Infrarot-Bereich (NIR) leuchtende Substanzen benötigt. Ein Schweizer Forschungsteam hat jetzt erstmals einen Chrom-Komplex entwickelt, der Licht im begehrten längerwelligen NIR-II-Bereich emittiert. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt das Team das zugrundeliegende Konzept vor: Eine drastische Änderung der elektronischen Struktur am Chrom durch speziell angepasste, das Chrom umfassende Liganden.
Viele der NIR-Licht aussendenden Stoffe basieren auf teuren oder seltenen Metall-Komplexen. Kostengünstigere Alternativen, die in der NIR-I-Region zwischen 700 und 950 nm emittieren, wurden inzwischen entwickelt, während NIR-II-emittierende Komplexe unedler Metalle nach wie vor extrem selten sind. Eine Lumineszenz im NIR-II-Bereich (1000 bis 1700 nm) ist besonders vorteilhaft für die In-vivo-Bildgebung, da dieses Licht sehr tief in Gewebe eindringt.
Die Lumineszenz von Komplexen basiert auf einer Anregung von Elektronen, z.B. durch Absorption von Licht. Beim Zurückfallen des angeregten Elektrons in den Grundzustand wird ein Teil der Energie als Strahlung abgegeben. Deren Wellenlänge hängt von den energetischen Unterschieden zwischen den elektronischen Zuständen ab. In Komplexen werden diese ganz maßgeblich durch Art und Anordnung der an das Metall gebundenen Liganden bestimmt.
Während bei typischen chemischen (kovalenten) Bindungen beide Partner je ein Elektron zu einer Elektronenpaarbindung beitragen, stammen die bindenden Elektronen in vielen Komplexen beide vom Liganden. Die Übergänge sind jedoch fließend: Metall-Ligand-Bindungen können teilweise kovalenten Charakter haben (nephelauxetischen Effekt). Als Folge ist die Energie bestimmter angeregter Zustände verringert und die emittierte Strahlung langwelliger. Dies wird z.B. für Polypyridin-Liganden beobachtet, die die an sich rubinrote Emission von dreiwertigem Chrom (CrIII) in Komplexen bis ins NIR-I verschieben.
Um die Kovalenz der Metall-Liganden-Bindung und damit die Wellenlänge weiter zu erhöhen wechselte Narayan Sinha im Team um Claude Piguet und Oliver S. Wenger von den Universitäten Basel und Genf von klassischen Polypyridin-Liganden zu einem neuen maßgeschneiderten geladenen dreizähnigen Chelat-Liganden. Chelat leitet sich vom griechischen Wort für Krebsschere ab, dreizähnig bedeutet, dass der Ligand drei Bindestellen hat, mit denen er das zentrale Metallatom „in die Zange nimmt“.
Im entstehenden Komplex wird das CrIII-Ion von zwei der neuen dreizähnigen Chelat-Liganden oktaederförmig von allen Seiten umfasst. Die Folge ist eine drastisch veränderte, ungewöhnliche elektronische Struktur mit einer hohen Elektronendichte am CrIII. In axialer Richtung finden Ladungsübertragungen von den Liganden zum Metall statt, in der äquatorialen Ebene des Oktaeders dagegen vom Metall zu den Liganden. Vermutlich haben diese kombinierten „schiebenden” und „ziehenden” Wechselwirkungen einen starken Einfluss auf die spektroskopisch relevanten Elektronen des CrIII – der Schlüssel zur NIR-II-Emission des neuen Komplexes.
Infrarot in die Zange genommen
Wiley-VCH