Wie Cola nach einem Jahr noch prickelt
Wenige Nanometer dünne quarzähnliche Beschichtungen können die Haltbarkeit von Lebensmitteln vervielfachen, brillante OLED-Fernsehbilder ermöglichen oder Gase trennen
Damian Gorczany
Milch und Medikamente länger haltbar machen
Die Beschichtung ist nur möglich, weil die Plasmen kalt sind und somit die PET-Flasche oder andere zu beschichtende Oberflächen nicht durch Hitze beschädigen. Nur die schnellen Elektronen im Plasma sind heiß, und sie schädigen die Oberflächen nicht. Die nur 20 bis 30 Nanometer dünne, glasartige Beschichtung des Kunststoffs sorgt dafür, dass 10- bis 100-mal weniger Gas durch die Flasche entweicht. Das verlängert die Haltbarkeit einer Limonade von bisher vier Wochen auf ungefähr ein Jahr. Die Methode ist auch für die Verpackungen von Milch und anderen Lebensmitteln, aber auch Medikamenten bis hin zu mikroelektronischen Bauelementen interessant. „Diese Art der Beschichtung ist auch umweltfreundlich, denn die winzige Menge an Material kann man beim Recycling einfach vernachlässigen“, erklärt Dr. Marc Böke vom Lehrstuhl Experimentelle Physik II.
Sauerstoff gibt den Ausschlag
Die Herausforderung liegt in der Kontrolle der Schichtbildung. „Die Schichten sollen nicht nur ultradünn, sondern auch absolut dicht, lückenfrei und gleichmäßig sein“, erklärt Marc Böke. Die Stellschrauben dafür sind vielfältig. Es kommt zum einen auf das Gasgemisch an. Ein besonders wichtiger Mitspieler dabei ist atomarer Sauerstoff. Auch der Druck, unter dem das Plasma betrieben wird, ist bedeutend. Ebenso beeinflussen die Geometrie des Reaktors und die Wahl der Energiequelle, was im Plasma passiert und wie sich das auf die umgebenden Oberflächen auswirkt. „Generell sind verschiedene Größen des Plasmareaktors möglich, bis hin zu den riesigen Ausmaßen, die man braucht, um ganze Fensterscheiben für Hochhäuser zu beschichten“, so Peter Prof. Dr. Awakowicz.
Messtechniken mussten entwickelt werden
Viele Aspekte der möglichen Prozesse konnten die Forscherinnen und Forscher nach und nach ergründen und perfektionieren. So werden PET-Flaschen vor der Beschichtung gereinigt und aktiviert, ebenfalls mittels Plasma. Aber auch hierbei verändert sich die Oberfläche der Flasche, was wiederum Einfluss auf die spätere Beschichtung hat. Messungen der Teilchenflüsse während der Reinigung förderten zutage, was dabei passiert. Wenn man den Prozess optimal ablaufen lässt, hat das einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg der späteren Beschichtung: „Wir konnten die Dichtigkeit, die durch die Beschichtung anfangs bei Faktor 100 lag (je nach Substratmaterial), durch die richtige Einstellung der vorherigen Reinigung auf den Faktor 500 steigern“, so Peter Awakowicz.
Die neueste Anwendung, an der zurzeit gearbeitet wird, macht aus der Not eine Tugend: Wünscht man sich eigentlich möglichst dichte und fehlerfreie Schichten, sind Fehler wie kleinste Poren in der Beschichtung kaum zu vermeiden. Sie erlauben es den Forschungsteams, mittels Plasmabeschichtung nicht-quellende Filtermembranen zu entwickeln, die bisher unbekannte Eigenschaften zeigen. Sie können Wasser entsalzen oder Gase voneinander trennen, etwa Sauerstoff von CO2.