Wie eingesperrte Protonen wandern

Wenn weniger als zwei Nanometer Platz zur Verfügung stehen, gibt es Stau in der Protonenwelt

10.09.2021 - Deutschland

Protonen können in wässrigen Lösungen üblicherweise sehr schnell wandern – schneller als andere Ionen. Das gilt allerdings nur, wenn sie mehr als zwei Nanometer Platz haben, wie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der University of California in Berkeley zeigt. Auf engem Raum funktioniert der sogenannte Grotthus-Mechanismus nicht mehr, der Protonen schneller wandern lässt als Ionen, die diffundieren. Die Ergebnisse beschreibt das Team des Bochumer Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, gemeinsam mit Kollegen des Schwester-Forschungsverbundes CALSOLV in Berkeley in der Zeitschrift Angewandte Chemie vom 3. September 2021. Die Gutachter bewerteten diese Ergebnisse als Highlight Paper (Top 10%).

© RUB, Marquard

Wenn Wasser in winzigen Mengen – noch viel weniger als in diesem Tropfen – vorliegt, entwickelt es besondere Eigenschaften.

Aufgrund des Grotthus-Mechanismus wandern Protonen (H+) und Hydroniumionen (H3O+) in freien wässrigen Lösungen scheinbar schneller als andere Ionen. Dabei wandern die einzelnen Protonen gar nicht wirklich. Es werden stattdessen Bindungen in Hydroniumionen gelöst und neue Bindungen zu anderen Wassermolekülen geknüpft, sodass nicht ein einzelnes Proton wandert, sondern Ladungen direkt von einem Wasser auf das nächste übertragen werden. Das geht schneller als die Diffusion eines Ions durch die Lösung.

Verhalten auf engem Raum wenig untersucht

Viele Studien haben den Transport von Protonen bislang in freier wässriger Lösung untersucht. „Im wahren Leben kommen solche Bedingungen aber relativ selten vor“, sagt Prof. Dr. Martina Havenith, Sprecherin von RESOLV und eine der Autorinnen der Arbeit. „Meistens finden Protonen-Transportvorgänge auf sehr engem Raum oder in Nanoporen statt.“ Die daran beteiligten Hydroniumionen definieren den pH-Wert. Der Effekt der Raumbegrenzung oder des „Confinements“ ist aber bislang noch nicht komplett verstanden.

Um das zu ändern, kombinierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Berkeley theoretische und experimentelle Methoden miteinander. Sei erzeugten winzige Wasserpools, deren Größe sie genau kontrollieren konnten. Sobald der Durchmesser des Tropfens weniger als zwei Nanometer betrug, änderte sich der Protonen-Transportmechanismus im Experiment und in der Simulation schlagartig. „Unter zwei Nanometer wird die Protonenwanderung durch Confinement-Effekte begrenzt, diese wird zunächst erleichtert, wenn der Pool vergrößert wird“, erklärt Martina Havenith. „Überraschenderweise fanden wir aber, dass oberhalb von zwei Nanometer, wo die Bildung von Hydroniumionen möglich ist, es zu einem Protonenstau kommt.“ Das Proton steckt dann in einem oszillierenden Zustand fest, es hüpft an der geladenen Oberfläche der Pools vor und zurück, kommt aber nicht voran, was dazu führt, dass die Leitfähigkeit nicht – wie ursprünglich erwartet – weiter ansteigt.

Kurzschluss im Wasserstoffbrücken-Netzwerk

Neben der Größe des Pools beeinflusst auch die Säurekonzentration das Wanderverhalten der Protonen. Erhöhte das Forschungsteam den Säuregehalt, bildete sich ebenfalls eine Art Kurzschluss im Wasserstoffbrücken-Netzwerk des Tropfens, sodass das Proton auch nicht mehr von der Stelle kam, sondern in dem oszillierenden Hüpfzustand verharrte.

„Das hat Konsequenzen für jedes System, das auf einen Protonentransport angewiesen ist – denn die Größe des Systems oder die Protonenkonzentration kann zu einem Stau führen und zum Beispiel die Signalweiterleitung stören“, folgert Havenith.

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