Benjamin List - der Nobelpreisträger, der auch Handstand kann
List hat den Forschergeist im Blut - schon unter seinem Vorfahren waren berühmte Wissenschaftler: Dass Erfolg aber nicht alles ist, weiß er spätestens seit einem traumatischen Urlaubserlebnis
(dpa) Benjamin List lacht. Er lacht, weil er gerade den Nobelpreis bekommen hat, und ihn jemand danach gefragt hat, was das mit ihm macht. «Ich bin immer noch ekstatisch», sagt er. «Ich bin total happy. Wirklich extrem dankbar. Gefühle halt. Sehr, sehr, sehr schön.»
Der 53-Jährige saß gerade mit seiner Frau Sabine in einem Amsterdamer Café, als er am Mittwoch die Nachricht bekam. «Die haben auf meinem Handy angerufen», erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. «Als wir gerade bestellen wollten, sah ich auf dem Display so «Schweden». Ich guckte meine Frau an, wir lächelten uns ironisch an - «Haha, das ist der Anruf.» Als Witz. Aber dann war es wirklich der Anruf.»
List hielt den Moment fest, wie dies wohl die meisten tun würden: mit einem Selfie. Der Chemiker ist nicht der Typ zerstreuter Professor, der im wahren Leben nicht zurechtkommt. Er spielt Tennis, schätzt guten Wein und entspannt sich mit Yoga. Er kann sogar Handstand.
List war schon als Schüler ein Forschergeist, mit seinem eigenen Chemielabor, in dem er mit Schwarzpulver experimentierte. In gewisser Weise hatte er das wohl im Blut: Sein Ururgroßvater war Jacob Volhard (1834-1919), ein Schüler des Chemie-Pioniers Justus von Liebig. Seine Tante Christiane Nüsslein-Volhard, Entwicklungsbiologin und Max-Planck-Kollegin, erhielt 1995 ebenfalls den Nobelpreis.
List selbst wurde 1968 in Frankfurt geboren und wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf. Als er drei Jahre war, ließen die Eltern sich scheiden. Er und seine beiden Brüder gingen in einen antiautoritären Kinderladen. Die Mutter vermittelte ihm die Einstellung: «Du kannst alles werden: Dirigent, Künstler oder ein berühmter Chemiker.»
Als er mit elf Jahren wissen wollte, was die Welt im Innersten zusammenhält, erschien ihm die Chemie zunächst als Königsweg: «Mein Verständnis war, Chemiker verstehen, woraus Materie ist und auch wie Materie sich verhält und verändert - und damit quasi alles», erinnert er sich im Gespräch mit der dpa. «Es war also sozusagen ein philosophisches Interesse, das ich hatte.» Als er dann dahinterkam, dass die Chemie doch nicht alle großen Fragen beantworten kann, war er ihr schon verfallen.
Nach dem Studium in Berlin, der Promotion in Frankfurt und einem Forschungsaufenthalt in den USA kam er 2003 an das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Dort ist er geblieben - seit 2005 als Direktor.
Beruflicher Erfolg ist für ihn aber nicht alles - das weiß er spätestens seit Weihnachten 2004. Damals erlebte er zusammen mit seiner Frau und seinen damals fünf und drei Jahre alten Söhnen in Thailand den Tsunami mit. Sie saßen gerade am Swimming-Pool, als die Riesenwelle kam. Die Familie wurde auseinandergerissen, der Fünfjährige schwer verletzt. Den jüngeren Sohn fanden sie erst spät am Abend in einem 100 Kilometer entfernten Krankenhaus wieder.
Sie seien damals «unglaublich dankbar und glücklich» gewesen, einfach nur überlebt zu haben, erzählte List im vergangenen Juni in einem Podcast. «Was ich vor allem daraus mitgenommen habe, war dieses Gefühl zu wissen, worauf es wirklich ankommt im Leben. Und dass es eben nicht so wichtig ist, ob der Kollege A mich jetzt zitiert hat in seiner Arbeit oder welche Preise ich bekomme, sondern es ist eigentlich einfach, dass man gesund ist und dass die Familie da ist und es allen gut geht. Das ist eigentlich so, so, so viel wichtiger.»
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