Er­klä­rung für un­ge­wöhn­li­che Iso­to­pen­mus­ter

In ei­nem La­bor­ver­such si­mu­lie­ren For­scher al­ter­na­ti­ve Koh­len­was­ser­stoff­bil­dung durch Re­duk­ti­on von Es­sig­säu­re

15.11.2021 - Deutschland

Un­ter Druck und ho­her Tem­pe­ra­tur bil­den sich im tie­fen Oze­an­bo­den Koh­len­was­ser­stof­fe, die auch ein wesent­li­cher Be­stand­teil von Erd­öl und Erd­gas sind. Im Gu­ay­mas-Be­cken im Golf von Ka­li­for­ni­en sind Forschen­de auf Spu­ren von Koh­len­was­ser­stoff­ga­sen ge­sto­ßen, die nicht auf her­kömm­li­che Art und Wei­se ent­stan­den sind. In ih­rer Stu­die, die das Jour­nal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) jetzt ver­öf­fent­licht hat, zeich­nen sie ei­nen neu­en Bil­dungs­weg der Gase Ethan und Pro­pan, zwei Hauptbestand­tei­le von Erd­gas, durch die Re­duk­ti­on von Es­sig­säu­re nach. Das Team, an dem For­schen­de des MARUM – Zentrum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men und der Uni­ver­si­ty of North Caroli­na (USA) be­tei­ligt sind, hat die Iso­to­pen­si­gna­tu­ren un­ter­sucht und in ei­nem Ver­suchs­auf­bau im La­bor die Kohlenwasser­stoff­bil­dung si­mu­liert.

Min Song

Das bemannte Tauchboot Alvin von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) wird von Bord des Forschungsschiffs ATLANTIS ausgesetzt.

Iso­to­pe von Koh­len­was­ser­stoff­ver­bin­dun­gen sind wie ein Fin­ger­ab­druck. Ein­deu­tig wei­sen sie auf die Art und Wei­se hin, wie che­mi­sche Ver­bin­dun­gen ent­stan­den sind – das gilt auch für ein­fa­che Koh­len­was­ser­stof­fe wie Ethan, Pro­pan, Bu­tan und Pen­tan. Wer­den Koh­len­was­ser­stof­fe ver­brannt, ent­ste­hen Was­ser und Koh­len­stoff­di­oxid, hier­bei wird En­er­gie frei­ge­setzt. Koh­len­was­ser­stof­fe, und dazu ge­hö­ren auch Erd­öl und Erd­gas, wer­den über lan­ge Zeit­räu­me bei gro­ßem Druck und ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren ge­bil­det – dies kön­nen For­schen­de dann durch ent­spre­chen­de Iso­to­pen­mus­ter auf­zei­gen.

Wäh­rend For­schen­de Pro­ben aus dem Gu­ay­mas-Be­cken un­ter­sucht ha­ben, sind sie bei ih­ren Mes­sun­gen aller­dings auf Iso­to­pen­mus­ter ge­sto­ßen, die nicht zu den be­kann­ten Bil­dungs­we­gen pass­ten. Die Pro­ben wur­den mit dem be­mann­ten Tauch­boot Al­vin auf ei­ner Ex­pe­di­ti­on mit dem For­schungs­schiff AT­LAN­TIS ge­nom­men, so konn­ten sie ge­nau lo­ka­li­siert und gleich­zei­tig die Tem­pe­ra­tur im Mee­res­bo­den ge­mes­sen wer­den. „Im Gu­ay­mas-Be­cken kön­nen wir eine Ölbil­dung wie im Zeit­raf­fer be­ob­ach­ten“, er­klärt Co-Au­to­rin Dr. Flo­rence Schu­botz vom MARUM. In die­sem Be­cken sam­melt sich viel or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al und la­gert sich als Se­di­ment ab, das sich wie­der­um durch die hydro­ther­ma­len Ak­ti­vi­tä­ten schnell auf­heizt und so Öl bil­det – und das vor al­lem sehr schnell im Ver­gleich zu den Jahr­mil­lio­nen, in de­nen Öl nor­ma­ler­wei­se durch gro­ßen Druck und hohe Tem­pe­ra­tu­ren ge­bil­det wird. Im Ge­gen­satz dazu sorgt die Kom­bi­na­ti­on von geo­lo­gi­scher Ak­ti­vi­tät am Kon­ti­nen­tal­rand und der Men­ge an se­di­men­tier­tem bio­lo­gi­schen Ma­te­ri­al da­für, dass Koh­len­was­ser­stof­fe ent­ste­hen – das Be­cken agiert und re­agiert wie ein Schnell­koch­topf. Auf­grund die­ser Be­son­der­heit gilt das Gu­ay­mas-Be­cken For­schen­den als Mo­dell­re­gi­on für ei­nen ver­gleichs­wei­se jun­gen Oze­an­bo­den. Das Be­cken liegt an ei­nem Sprei­zungs­rü­cken, an dem durch die Be­we­gung der tek­to­ni­schen Plat­ten neu­er Mee­res­bo­den ent­steht.

„Die­se Da­ten ha­ben uns über­rascht, da wir sie nicht mit be­kann­ten Me­cha­nis­men er­klä­ren konn­ten. Wir ha­ben über al­ter­na­ti­ve Er­klä­run­gen nach­ge­dacht und über­legt, was die­ses Sys­tem so be­son­ders macht, wel­che Pro­zes­se im tie­fen Un­ter­grund ab­lau­fen und für das un­ge­wöhn­li­che Iso­to­pen­mus­ter der Koh­len­was­ser­stoff­ga­se in un­se­ren Pro­ben ver­ant­wort­lich sein könn­ten“, schil­dert Er­st­au­to­rin Dr. Min Song. Dazu ha­ben die For­schen­den die Rol­le der flüch­ti­gen Fett­säu­ren un­ter­sucht, die im Gu­ay­mas-Be­ckens reich­lich vor­han­den sind, und führ­ten Si­mu­la­ti­ons­ex­pe­ri­men­te durch. Zum ers­ten Mal konn­ten sie so ei­nen al­ter­na­ti­ven Weg zei­gen, wie die Gase ge­bil­det wer­den kön­nen und vor al­lem die Iso­to­pen­si­gna­tu­ren er­klä­ren. Im La­bor des MARUM-For­schers Prof. Wolf­gang Bach wur­den Tem­pe­ra­tur und Druck so si­mu­liert, wie sie an Hydro­ther­mal­sys­te­men herr­schen. Aus Es­sig­säu­re wur­de im La­bor Ethan und Pro­pan ge­bil­det, und zwar ohne Mi­kro­or­ga­nis­men.

Die­se neue Er­klä­rung für eine al­ter­na­ti­ve Bil­dung von Koh­len­was­ser­stof­fen im Oze­an­bo­den, be­tont Schu­botz, könn­te nun auch in an­de­ren geo- und hydro­ther­mal er­wärm­ten Se­di­ment­sys­te­men über­prüft wer­den. Aus die­sem Grund sei­en die Er­geb­nis­se ein wich­ti­ger Bei­trag zur For­schung am MARUM. An der Stu­die sind Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen von Min Song im Kon­text des Ex­zel­lenz­clus­ters „Der Oze­an­bo­den – un­er­forsch­te Schnitt­stel­le der Erde“ so­wie mit Prof. An­dre­as Tes­ke von der Uni­ver­si­ty of North Ca­ro­li­na auch in­ter­na­tio­na­le Part­ner be­tei­ligt. „Un­se­re Er­geb­nis­se lie­fern eine schlüs­si­ge Er­klä­rung für un­ge­wöhn­li­che Iso­to­pen­mus­ter in Koh­len­was­ser­stoff­ga­sen“, so Co-Clus­ter­spre­cher und Stu­di­en­lei­ter Prof. Kai-Uwe Hin­richs. Die Koh­len­was­ser­stof­fe wer­den hier nicht aus län­ge­ren Ver­bin­dun­gen in klei­ne­re Be­stand­tei­le auf­ge­spal­ten, son­dern aus klei­ne­ren Bau­stei­nen auf­ge­baut. An die­ser Bil­dungs­wei­se sind kei­ne Mi­kro­or­ga­nis­men be­tei­ligt, wes­we­gen sie zum den abio­ti­schen Bil­dungs­we­gen zählt. Die Er­geb­nis­se wer­den künf­tig dazu bei­tra­gen, die Pro­zes­se im Oze­an­bo­den und ins­be­son­de­re Stoff­flüs­se bes­ser zu ver­ste­hen.

Originalveröffentlichung

Min Song, Florence Schubotz, Matthias Y. Kellermann, Christian T. Hansen, Wolfgang Bach, Andreas P. Teske, Kai-Uwe Hinrichs; "Formation of ethane and propane via abiotic reductive conversion of acetic acid in hydrothermal sediments"; PNAS; 2021

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