Kosmische Chemie im Labor
FLASH simuliert harsche Bedingungen des interstellaren Raums
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Die organische Chemie befasst sich mit Reaktionen, Zusammensetzung und Eigenschaften von Molekülen, die Kohlenstoff (C) enthalten, und spielt eine zentrale Rolle für die Chemie des Lebens. PAK sind eine wichtige Gruppe grundlegender organischer Verbindungen und bestehen aus Kohlenstoff und Wasserstoff (H). „Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sind in fast jedem Winkel des Universums zu finden und enthalten bis zu 20 Prozent des gesamten Kohlenstoffs im Weltraum“, erläutert DESY-Forscher Jason Lee, einer der Hauptautoren der Studie. „Diese Moleküle spielen eine wichtige Rolle in der interstellaren Chemie: Unter anderem dienen sie als Grundlage für Reaktionen, formen größere Moleküle wie Fullerene und zerfallen in Bausteine für andere organische Moleküle. Mit unserer Arbeit wollten wir die Reaktionsdynamik von PAK nach der Wechselwirkung mit der ionisierenden Strahlung im interstellaren Raum besser verstehen lernen.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die Reaktion der drei kleinen PAKs Fluoren (C13H10), Phenanthren (C14H10) und Pyren (C16H10) auf die extrem-ultraviolette (XUV) Strahlung von DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH. Die XUV-Blitze wurden dazu auf eine Wellenlänge von 30,3 Nanometern abgestimmt, die einer wichtigen Emissionslinie von Helium im interstellaren Raum entspricht. Zum Vergleich: Sichtbares Licht hat Wellenlängen zwischen 400 und 800 Nanometern.
Die extrem-ultravioletten Photonen können bis zu drei Elektronen aus einem PAK-Molekül herausschlagen, was zu einem stark ionisierten Zustand führt. Mit einem Spezialinstrument, der CAMP-Endstation, und einer superschnellen Kamera, PImMS, konnte das Team die komplexe Fragmentierungs- und Ionisierungsdynamik der Moleküle entschlüsseln. Die Analyse zeigt, dass alle untersuchten PAK nach der Absorption der hochenergetischen Strahlung diesen hochangeregten Zustand extrem schnell wieder verlassen. Dazu wandeln sie die aufgenommene Energie bereits in deutlich weniger als einer billionstel Sekunde (Pikosekunde) in atomare Bewegung um. Für diesen als Relaxation bezeichneten Vorgang hatten theoretische Modellrechnungen bereits in etwa die gleiche Zeitskala prognostiziert.
Aus den Daten lassen sich Details zu den Reaktionen der PAK auf die intensive Strahlung ablesen: Werden beispielsweise durch ein XUV-Photon gleich zwei Elektronen aus einem PAK-Molekül herausgeschlagen, entsteht ein doppelt elektrisch geladenes Ion. Solche Dikationen zerfallen den Experimenten zufolge bevorzugt in zwei Fragmente, die jeweils eine einzige elektrische Ladung tragen (und daher Monokationen genannt werden). Häufig geht diese Aufspaltung in zwei Monokationen mit dem Verlust von zwei Kohlenstoffatomen (C2) einher. Dies ist für die Astrochemiker eine besonders spannende Beobachtung, denn sie spiegelt quasi die gegenwärtige Vorstellung von der Entstehung von PAKs. Nach dieser gängigen Vorstellung bauen sich die verschiedenen PAK-Moleküle nach und nach auf, indem sich schrittweise Acetylenmoleküle (C2H2) aneinander fügen. Die Analyse der Fragmentierung dreifach geladener PAK-Moleküle (Trikationen) ist so aufwändig, dass das Team in einem Folgeartikel darüber berichten wird.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ultraschnelle Relaxation bei polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen eine allgemeine Eigenschaft sein könnte“, sagt Lee. Das Team wertet bereits weitere Experimente mit einer neuen Gruppe von PAK an FLASH aus, um diese Beobachtung zu bestätigen. Die Arbeiten liefern wertvolle Einblicke in die Wechselwirkung dieser im Kosmos weit verbreiteten Gruppe organischer Moleküle mit interstellarer Strahlung. Die Ionen und Fragmente, die dabei entstehen, liefern die Bausteine für komplexere Moleküle und prägen damit entscheidend die organische Chemie des Kosmos.
An der Studie waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Oxford, Kiel, Lund, Göteborg, Hamburg, Amsterdam, Göttingen, der Radboud Universität in Nijmegen, der Staatlichen Universität St. Petersburg, der Kansas State University, der Vrije Universiteit Amsterdam, von European XFEL und von DESY beteiligt.