Aus Abfallprodukten Erdöl-Ersatz herstellen
Neue Pilotanlage
TU Dresden
Um der Abhängigkeit von Erdöl, Gas und Kohle entgegenzuwirken, sucht die Wirtschaft nach umweltfreundlichen Lösungen. Für die Entwicklung alternativer Verfahren und neuer Produkte mit geringstmöglichem CO2-Fußabdruck, braucht es modernste Forschungsanlagen mit höchster Präzision aber auch großer Flexibilität.
Aus diesem Grund förderte der Europäische Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) sowie das Bundesland Sachsen eine neue Pilotanlage zum Aufschluss verschiedener Biomassen am Institut für Pflanzen- und Holzchemie der TU Dresden. Für die Forschung steht die Herstellung von Zellstoffen für Papier-, Textil- und Chemieindustrie, delignifizierte Hölzer und Furniere für Funktionswerkstoffe und anderer innovativer Produkte aus Reststoffen der Landwirtschaft (z. B. Stroh, Hanf und Lein), der Holz- und Forstindustrie (z. B. Schadholz, Sägereste und Rinde) sowie schnell wachsenden Pflanzen (z.B. Miscanthus / Chinaschilf) im Fokus.
Neben der klassischen Nutzung von Zellstoff für die Herstellung von Papier und Verpackungsmaterial sind die vielfältigen Anwendungspotentiale von Zellstoff, Hemicellulosen und Lignin zur Ablösung fossiler Rohstoffe in verschiedenen Industriezweigen von wachsendem Interesse.
Verwertung von Stroh und Co.
Die Thermische Apparate Freiberg (TAF), ein Unternehmen des Anlagenbauunternehmens Pörner Ingenieurgesellschaft mbH in Wien / Österreich, erhielt von der TU Dresden den Auftrag über die Gesamtumsetzung der Pilotanlage. Der Auftrag umfasst Neukonzipierung, Auslegung, Engineering, Bau, Montage und Inbetriebnahme der Anlage. Die Zuwendung in Höhe von 1,115 Millionen Euro stammt aus den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie aus Steuermitteln und trägt zur Verbesserung der Infrastruktur im Bereich anwendungsnaher Forschung bei.
Nach erfolgreichem Testbetrieb und Schulungsmaßnahmen übergab TAF die Anlage, auch „Zellstoffkochersystem“ genannt, Ende Februar an das Institut. Am 9. März 2022 fand die Einweihung im Beisein des Sächsischen Staatsministers für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, statt.
Die Anlage im forschungsrelevanten Maßstab ist zum aktuellen Zeitpunkt in Mitteleuropa nahezu einzigartig. Das Institut sieht demnach hohe Chancen für intensive Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen sowie verschiedenen Industriebranchen im Rahmen von Förderprojekten. Die hochmoderne und voll ausgestattete Pilotanlage ermöglicht die Erforschung und Verifizierung alternativer Verfahren, die Anpassung wichtiger Parameter wie Zeit, Temperatur oder pH-Wert sowie die Minimierung von Energie- und Chemikalieneinsatz.
Thermische Lösung aus Freiberg, Sachsen
Die Anlage besteht aus zwei elektrisch beheizten Reaktoren mit einem Reaktorvolumen von 30 bzw. acht Litern und kann bei Parametern bis 200 °C sowohl atmosphärisch als auch bis zu 20 bar betrieben werden. Im 20- bis 25-Liter-Maßstab können somit pflanzliche Roh- und Reststoffe mit verschiedensten Verfahren aufgeschlossen werden. Diese löst die Altanlage im Technikum des Instituts in Tharandt ab.
Jonas Kappeller, Geschäftsführer der TAF: „Wir sind stolz, hier ein wichtiges Zeichen zu setzen. Die neue Pilotanlage wird Unternehmen zu großen Forschungsfortschritten bei der Verwertung nachwachsender Rohstoffe führen. Trotz einer widrigen Beschaffungssituation konnten wir das Projekt im Zeitrahmen abschließen und freuen uns, für jeden Wunsch des TU-Forschungsteams eine praxisnahe Lösung gefunden zu haben.“
Alternative Aufschlussverfahren stehen in den Startlöchern
Die Pilotanlage wurde ihrer Bestimmung übergeben, in Zukunft viele wertvolle Beiträge für praktische und nachhaltige Produkte zu liefern. Sie ermöglicht Forschungen auf einer völlig neuen Stufe. Der Weg von der Forschung bis zur Umsetzung der Technologie hin zu biobasierten Wertschöpfungsketten ist bereit beschritten zu werden. Die Nachfrage nach Biokraftstoffen und grünen Wertstoffen ist hoch. Um nachhaltige Produktionsstätten großflächig umsetzen zu können, muss die Bundesregierung allerdings noch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.