Komplexe Wege beeinflussen Zeitverzögerung in der Ionisation von Molekülen

Studie zeigt, wie mit dem Mechanismus der Photoionisation Einblicke in komplexe molekulare Potenziale gewonnen werden

18.03.2022 - Deutschland

Wie können Wissenschaftler*innen den Mechanismus der Photoionisation nutzen, um Einblicke in komplexe molekulare Potentiale zu gewinnen? Diese Frage hat ein Team um Prof. Dr. Giuseppe Sansone vom Physikalischen Institut der Universität Freiburg nun beantworten können. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden aus Freiburg, dem Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg sowie aus Arbeitsgruppen an der Universidad Autonoma in Madrid/Spanien und der Universität Triest/Italien in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

AG Sansone

Die Grafik zeigt eine Potenziallandschaft eines CF4-Moleküls, in dem ein zentrales Kohlenstoffatom (grau) von vier Fluoratomen (grün) umgeben ist, die an den Spitzen eines Tetraeders angeordnet sind. Die drei Projektionen sind Schnitte des molekularen Potenzials, wobei die blauen und roten Regionen Punkte mit positiver bzw. negativer potenzieller Energie anzeigen.

Bei dem Ursprung der Photoionisation, auch photoelektrischer Effekt genannt, absorbiert ein Atom oder ein Molekül ein Lichtquant, gewöhnlich als Photon bezeichnet, aus einem äußeren Feld. Die dabei absorbierte Energie wird auf ein Elektron übertragen, das freigesetzt wird und ein einfach geladenes Ion zurücklässt. Unter verschiedenen Gesichtspunkten und für verschiedene Anwendungen kann der Effekt als unmittelbar angesehen werden, es gibt also keine nennenswerte Zeitverzögerung zwischen der Absorption des Photons und dem Zeitpunkt, zu dem das Elektron emittiert wird. Mehrere in den letzten Jahren durchgeführte Experimente haben jedoch gezeigt, dass zwischen diesen beiden Prozessen winzige, aber messbare Verzögerungen im Attosekundenbereich (1 as=10-18 s) auftreten.

Erzeugung von attosekunden Lichtblitzen

„Dank der fortschrittlichen Laserquellen und der speziell entwickelten Spektrometer, die in unserem Labor zur Verfügung stehen, können wir extrem kurze Lichtblitze erzeugen, die nur wenige hundert Attosekunden dauern“, erklärt Sansone. „Außerdem können wir die Ausrichtung einfacher Moleküle rekonstruieren, wenn sie ein Photon aus einem externen Laserpuls absorbieren. Wir haben solche Pulse verwendet, um die Bewegung der Elektronen nach der Absorption eines Photons zu untersuchen.“

Elektrone durchlaufen Wege mit Potenzialspitzen und -tälern

Dabei fanden die Forschenden heraus, dass das Elektron auf seinem Weg aus dem Molekül heraus eine komplexe Landschaft durchläuft, die von Potenzialspitzen und -tälern geprägt ist. Diese werden von der räumlichen Verteilung der Atome, aus denen das System besteht, bestimmt. Der Weg, den das Elektron während seiner Bewegung zurücklegt, kann die Zeit beeinflussen, die es braucht, um wieder frei zu werden.

Ausweitung auf komplexere molekulare Systeme möglich

In dem Experiment hat das Team um Sansone die Zeitverzögerungen gemessen, die die von den CF4-Molekülen in verschiedenen räumlichen Richtungen emittierten Elektronen mit Hilfe eines Attosekunden-Pulszugs in Kombination mit einem ultrakurzen Infrarotfeld aufholen. „Durch die Kombination dieser Informationen mit der Charakterisierung der räumlichen Ausrichtung des Moleküls können wir verstehen, wie die Potenziallandschaft und insbesondere die Potenzialspitzen die Zeitverzögerung beeinflussen", sagt der Freiburger Physiker.

Die Arbeit kann auf komplexere molekulare Systeme und auf Potenziale, die sich auf ultrakurzen Zeitskalen ändern, ausgeweitet werden. Generell biete dieser Ansatz die Möglichkeit, betont Sansone, komplexe Potenziallandschaften von innen heraus mit einer noch nie dagewesenen zeitlichen Auflösung abzubilden.

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