Mobiler Teststand für hochaufgelöste Power-to-X-Kinetikanalyse
Zeit- und ortsaufgelöste Einblicke in den Reaktor
Fraunhofer ISE
Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE wurde ein universell einsetzbarer Teststand für Kinetik-Untersuchungen entwickelt, um katalytische Festbettreaktionen unter dynamischen Betriebsbedingungen zu analysieren. Die kompakte, mobile »KISS«-Anlage kann auch direkt vor Ort zum Einsatz kommen.
Der am Fraunhofer ISE entwickelte KISS-Teststand (Kinetic Investigations and Screening Setup) ermöglicht die Messung von örtlich aufgelösten Konzentrationsprofilen bei einer gleichzeitigen hochaufgelösten Überwachung des axialen Temperaturprofils. Hierzu dienen ein faseroptisches Messsystem sowie ein Multipositionsventil-Probenentnahme-system in Verbindung mit einem dynamischen Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR)-Analysegerät. »Ein Alleinstellungsmerkmal von KISS gegenüber klassischen Kinetikreaktoren ist neben der hohen zeitlichen Effizienz der Messkampagnen eine perfekte Kontrolle der Reaktortemperatur, auch bei Synthesen mit starker Wärmeentwicklung«, erklärt Dr.-Ing. Ouda Salem, Leiter der Gruppe Power-to-Liquids am Fraunhofer ISE. In KISS können Reaktionen sowohl in der Gas- als auch Flüssigphase untersucht werden. Durch die verwendeten Hochleistungswerkstoffe können mit KISS selbst herausfordernde thermochemische Synthesebedingungen realisiert werden, was die kinetische Untersuchung einer Vielzahl von PtX-Produkten wie Methanol, Dimethylether, Oxymethylenether, Flugkraftstoffen oder Ammoniak ermöglicht. Dies ist interessant für Firmen, die neue Katalysatoren oder chemische Prozesse entwickeln, aber auch für Forschungseinrichtungen.
Zeit- und ortsaufgelöste Einblicke in den Reaktor
Herzstück der Anlage ist ein Profilreaktor, der die dynamische Messung von Konzentrations- und Temperaturprofilen erlaubt. Durch die Kopplung von axialen Entnahmestellen mit dynamischer FTIR-Analytik kann die Produktzusammensetzung entlang der Reaktorlänge an sieben Positionen analysiert werden. Somit werden alle relevanten Reaktionsparameter zeit- und ortsaufgelöst ermittelt. Es können hochpräzise Kinetikmodelle – auch bei komplexen Reaktionsnetzwerken – erstellt werden.
Die umfängliche Automatisierung des Teststands (24/7-Betrieb) ermöglicht in Kombination mit der dynamischen Analytik die Durchführung von Messkampagnen in kürzester Zeit. Neben der Kinetikmessung eignet sich KISS auch für Langzeitmessungen oder Messungen mit potenziell katalysatorschädlichen und reaktionshemmenden Komponenten. Dadurch können neue Erkenntnisse zum Desaktivierungsverhalten des Katalysators gewonnen werden.
Simulation und Experimente aus einer Hand
Eine umfangreiche Simulationsplattform ermöglicht die Aufbereitung der experimentellen Daten sowie deren Vergleich mit bestehenden Kinetikmodellen. Somit lassen sich die experimentellen Ergebnisse und die Performance neuer Katalysatoren in einen Bezug zum Stand der Technik setzen. Neue Kinetikmodelle können auf Basis der gemessenen Profildaten regressiert werden. Indem experimentell ermittelte Messdaten und Simulationssoftware verknüpft werden, ist die Übertragung auf deutlich größere Produktionsmaßstäbe und damit deutlich kostengünstigere PtX-Pfade möglich.
Profilreaktor im Einsatz: Neuartige Dimethylether- und Ammoniaksynthese
Für die DME-Synthese konnte der Teststand bereits erfolgreich eingesetzt werden. Hierbei wird die Reaktion bei milden Reaktionstemperaturen und in der Flüssigphase durchgeführt, was neue Möglichkeiten der Prozessintensivierung und energieeffizienten Herstellung ergibt. Während der Messkampagne zeigte sich beim untersuchten Katalysator eine unerwartete dynamische Schrumpfung des Katalysatorbetts. »Dank der faseroptischen Messtechnik konnte diese anhand der Verschiebung des Temperaturprofils im Reaktor zeitaufgelöst quantifiziert und somit in die Modellbildung einbezogen werden, was den Mehrwert von KISS gegenüber herkömmlichen Kinetiktestständen unterstreicht«, berichtet Malte Semmel, Doktorand in der Gruppe Power-to-Liquids.
Derzeit wird der Teststand zur Untersuchung der Ammoniaksynthese in einem PtX-Prozess verwendet. Hier liegt der Fokus auf der Untersuchung neuer, aktiverer Katalysatormaterialen wie beispielsweise Ruthenium-basierten Katalysatoren. »Sie bieten das Potenzial, die Reaktion unter deutlich milderen Reaktionsbedingungen durchzuführen. Durch den Einsatz der beschriebenen Messtechnik und die Verknüpfung mit der reaktionskinetischen Simulation können reaktionskinetische Modelle für neue Katalysatoren auch unter diesen anspruchsvollen Bedingungen entwickelt und validiert werden«, so Thomas Cholewa, KISS Anlagenentwickler und Doktorand in der PtL-Gruppe. »Somit kann ein wichtiger Forschungsbeitrag zum Verständnis der Ammonik-Synthese unter den veränderten Bedingungen der PtX-Technologien geliefert werden.«
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