Mit Quantensensoren noch genauer messen

Ohne viel Mehraufwand bessere Messungen

25.03.2022 - Österreich

An der Universität Innsbruck haben Physiker um Peter Zoller und Thomas Monz den ersten programmierbaren Quantensensor entwickelt und im Labor getestet. Dazu haben sie eine Methode aus der Quanteninformationsverarbeitung auf ein Messproblem angewendet. Das innovative Verfahren eröffnet die Perspektive für Quantensensoren, deren Präzision bis dicht an die durch die Naturgesetze vorgegebene Grenze reicht.

Harald Ritsch, Uni Innsbruck

Die Zeit könnte sich mit ausgeklügelten Rechenmethoden auf verschränkten Atomen noch präziser bestimmen lassen. Innsbrucker Physiker haben dafür ein Verfahren entwickelt.

Atomuhren sind die besten Sensoren, die die Menschheit je gebaut hat. Heute findet man sie in staatlichen Eichämtern genauso wie in den Satelliten von Navigationssystemen. Wissenschaftler in aller Welt arbeiten daran, die Präzision von Atomuhren weiter zu optimieren. Nun hat die Forschungsgruppe um den Innsbrucker Theoretiker Peter Zoller ein neues Konzept entwickelt, mit dem Quantensensoren noch präziser betrieben werden können, unabhängig davon, welche technische Plattform für die Messung genutzt wird. „Wir beantworten die Frage, wie präzise ein Sensor mit den vorhandenen Kontrollmöglichkeiten sein kann und liefern ein Rezept, wie dies erreicht werden kann“, erläutern Denis Vasilyev und Raphael Kaubrügger aus der Gruppe um Peter Zoller am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck.

Die Physiker nutzen dafür eine Methode aus der Quanteninformationsverarbeitung: Variations-Quantenalgorithmen beschreiben eine Schaltung von Quantengattern, die von freien Paramatern abhängen. Durch Optimierungsroutinen findet der Sensor selbständig die besten Einstellungen für ein optimales Ergebnis. „Diese Methode haben wir auf ein Problem aus der Metrologie – der Wissenschaft des Messens – angewendet“, erklären Vasilyev und Kaubrügger. „Das ist insofern spannend, weil historisch gesehen Fortschritte in der Atomphysik durch die Metrologie motiviert waren und daraus wiederum die Quanteninformationsverarbeitung entstanden ist. Hier schließt sich also ein Kreis“, freut sich Peter Zoller. Mit dem neuen Verfahren können die Wissenschaftler Quantensensoren so weit optimieren, dass sie die technisch bestmögliche Präzision erreichen.

Ohne viel Mehraufwand bessere Messungen

Schon länger ist bekannt, dass Atomuhren durch die Ausnutzung quantenmechanischer Verschränkung noch deutlich genauer laufen könnten. Es fehlte bisher aber an Methoden, mit denen robuste Verschränkung für solche Anwendungen realisiert werden kann. Die Innsbrucker Physikern nutzen nun maßgeschneiderte Verschränkung, die genau abgestimmt auf die realen Anforderungen ist. Sie erzeugen mit ihrer Methode genau jene Kombination aus Quantenzustand und Messungen, die für Quantensensoren optimal sind. Damit kann die Präzision des Sensors bis dicht an das nach den Naturgesetzen mögliche Optimum gebracht werden, mit nur leicht erhöhtem Mehraufwand. „Bei der Entwicklung von Quantencomputern haben wir gelernt, maßgeschneiderte verschränkte Zustände zu erzeugen“, sagt Christian Marciniak vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. „Dieses Wissen nutzen wir nun, um bessere Sensoren zu bauen.“

Mit Sensor Quantenvorteil demonstrieren

Praktisch umgesetzt wurde dieses theoretische Konzept zum ersten Mal auch an der Universität Innsbruck, wie die Forschungsgruppe um Thomas Monz und Rainer Blatt nun in der Fachzeitschrift Nature berichtet. Auf einem Ionenfallen-Quantencomputer haben die Physiker auf Basis von variationalen Quantenrechnungen Frequenzmessungen durchgeführt. Weil die verwendeten Wechselwirkungen in linearen Ionenfallen auf klassischen Computern noch relativ einfach zu simulieren sind, konnten die Theorie-Kollegen die dafür notwendigen Parameter auf einem Supercomputer der Universität Innsbruck überprüfen. Obwohl der experimentelle Aufbau keineswegs perfekt ist, stimmen die Ergebnisse überraschend gut mit den theoretisch vorhergesagten Werten überein. Da solche Simulationen nicht für alle Sensoren möglich sind, haben die Wissenschaftler einen zweiten Ansatz demonstriert: Sie nutzten Methoden zur automatischen Optimierung der Parameter ohne Vorwissen. „Ähnlich wie beim maschinellen Lernen findet der programmierbare Quantencomputer seinen optimalen Modus als hochpräziser Sensor selbständig“, schildert der Experimentalphysiker Thomas Feldker den zugrundeliegenden Mechanismus.

„Mit unserem Konzept wird es möglich, den Vorteil von Quantentechnologien gegenüber klassischen Computern an einem für die Praxis relevanten Problem zu demonstrieren“, betont Peter Zoller. „Wir haben mit unserer variationellen Ramsey-Interferometrie eine entscheidende Komponente von quantenverbesserten Atomuhren demonstriert. Der nächste Schritt besteht nun darin, dies in einer dedizierten Atomuhr umzusetzen. Was bisher nur für Rechnungen fragwürdiger praktischer Relevanz gezeigt wurde, könnte schon in naher Zukunft mit einem programmierbaren Quantensensor erstmals demonstriert werden – der reale Quantenvorteil (engl. Quantum advantage).“

Originalveröffentlichung

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