„Faule“ und „fleißige“ Zellen in der Biokatalyse identifizieren

Neue Möglichkeiten in „Grüner Chemie“

08.06.2022 - Deutschland

Die Umwandlung von chemischen Verbindungen durch lebende Zellen – sogenannte Ganzzellbiokatalysatoren – ist ein schon länger bekannter Prozess, der zu einer Fülle an interessanten Erzeugnissen geführt hat. Dies wird unter anderem bei traditionellen Prozessen wie dem Brotbacken oder Bierbrauen deutlich, bei denen durch Hefepilze hergestellten Moleküle maßgeblich zum Geschmack beitragen. Auch hochkomplexe chemische Moleküle wie Vitamine oder Arzneistoffe können nach diesem Prinzip hergestellt werden.

Universität Leipzig

Aus faulen Eiern werden keine Küken (Wilhelm Busch): „Faule“ und „fleißige“ Zellen in der Biokatalyse identifizieren. Ein lab-on-a-chip Ansatz um die katalytische Produktivität einzelner Zellen chemisch zu bewerten.

Ähnlich wie beim Bierbrauen passiert dies unter sehr ressourcenschonenden Bedingungen: Die Reaktion wird in großen Gefäßen (Fermentern) durchgeführt, in den die Ausgangsverbindungen in einem wässrigen Nährmedium durch Millionen lebender Zellen, die als Biokatalysatoren dienen, zu wertvollen Produkten umgewandelt werden. Forschenden der Universität Leipzig ist es nun gelungen, die Fermenter-Gefäße gezielt so zu schrumpfen, dass erstmals die Biokatalyse einzelner Zellen untersucht werden kann.

Ein Schlüssel zum Durchbruch war der Einsatz der Mikrofluidik-Technologie, bei der Flüssigkeitströme in haarfeinen Kanälen von Mikrochips gezielt gesteuert werden können. Damit gelingt die Herstellung nanoliter-winziger Tröpfchen, in denen einzelne Hefezellen platziert wurden. Mit moderner Analysetechnik wurde der Tröpfcheninhalt chemisch untersucht, um die in den Nanoliter-Gefäßen erzeugten Produkte genau zu quantifizieren. Wie dies gelang, beschreibt das Team um Prof. Dr. Detlev Belder vom Institut für Analytische Chemie der Universität Leipzig in einem jetzt in der Zeitschrift "Angewandte Chemie" veröffentlichten Artikel.

„Seit einiger Zeit ist bekannt, dass lebende Zellen äußerst heterogene Merkmale zeigen, zum Beispiel in Bezug auf ihr Wachstum oder ihren Stoffwechsel. So gibt es Hinweise, dass sich die Millionen von Zellen in den Fermentern ähnlich verhalten wie Arbeitsgemeinschaften anderer Spezies, dass also beispielsweise 30 Prozent der Individuen 90 Prozent der effektiven Arbeit, zum Beispiel bei der Herstellung von Produkten, machen“, erklärt Belder. In der Biokatalyse tappten Forschende bisher sprichwörtlich noch im Dunkeln, weil die hergestellten Stoffe in der Regel im Mikroskop unsichtbar sind. Aber auch hier könnte es sein, dass eine Zelle zum Beispiel sehr produktiv in der Synthese eines Arzneimittels ist, während ihre Nachbarn kaum aktiv sind oder das Falsche tun.

Da die Forschenden der Universität Leipzig die Fermenter-Gefäße so schrumpfen konnten, dass erstmals die Biokatalyse einzelner Zellen untersucht werden kann, eröffnet dies ganz neue Möglichkeiten in der „Grünen Chemie“: „Hochproduktive Zellen aus der Zellkolonie könnten nun identifiziert und äußerst effiziente Stämme gezüchtet werden, um höhere Ausbeuten etwa für teure Feinchemikalien zu erreichen“, sagt der Chemiker. Zudem wäre es möglich, einzelne Zellen im Hinblick auf den Reaktionsmechanismus, den Stoffwechsel oder die katalytische Effizienz detailliert zu untersuchen.

Die reaktionsbeschleunigenden Eigenschaften von Biokatalysatoren stellen einen zentralen Baustein für eine nachhaltige „Grüne Chemie“ dar. Anders als in der klassischen chemischen Synthese sind so keine organischen Lösungsmittel, giftige Zusätze oder harsche Reaktionsbedingungen notwendig.

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