Bund übernimmt Anteil an PCK Schwedt und zwei weiteren Raffinerien
Auch Raffinerien in Bayern und Baden-Württemberg betroffen
(dpa) Zur Sicherung des Betriebs der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt setzt die Bundesregierung auf eine Treuhandlösung: Sie stellt die Mehrheitseigner - die Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH - unter Kontrolle der Bundesnetzagentur. Auch der Betrieb der Raffinerien im baden-württembergischen Karlsruhe und dem bayerischen Vohburg nahe Ingolstadt solle so gewährleistet werden, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Freitagmorgen in Berlin mit.
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Hintergrund ist das Öl-Embargo gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, das am 1. Januar 2023 greift. PCK wird über die «Druschba»-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Der russische Mehrheitseigner Rosneft hat nach früheren Angaben des Wirtschaftsministeriums wenig Interesse an einer Abkehr von russischem Öl.
Mit dem Schritt übernehme die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg), teilte das Ministerium weiter mit. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen.
Rosneft Deutschland vereint nach Ministeriumsangaben insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und sei damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, RDG und RNRM, führen laut Wirtschaftsministerium jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Mehr als die Hälfte des Erdöls kommt nach deutschen Angaben aus Russland.
Die Treuhandverwaltung sei eine Reaktion auf die drohende Gefährdung der Energieversorgungssicherheit und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt des Standorts Schwedt, hieß es weiter. Für Schwedt solle es zudem ein «umfassendes Zukunftspaket» geben, das einen «Transformationsschub» für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.
Das so genannte Zukunftspaket soll am Mittag im Bundeskanzleramt von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), vorgestellt werden.
PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und gilt als wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt große Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff. Rosneft Deutschland hielt nach Unternehmensangaben dort bislang einen Anteil von 37,5 Prozent, ebenso wie Shell Deutschland. Über die Tochter RN kontrolliert Rosneft weitere Anteile, so dass der russische Staatskonzern auf insgesamt gut 54 Prozent kommt.
«Ein Ausfall des Betriebs der PCK-Raffinerie hätte zur Folge, dass die bundesweite Versorgung mit Erdölprodukten - und demnach mit lebenswichtigen Gütern - beeinträchtigt und insbesondere im Nordosten Deutschlands gefährdet wäre», schreibt das Wirtschaftsministerium im Bundesanzeiger. Die Beschaffung von Öl aus anderen Quellen wäre sehr teuer, der Transport von Erdölprodukten aus anderen Raffinerien schwierig. Neben Versorgungsengpässen drohten «Preisspitzen bei Kraftstoffen für gewerbliche und private Verbraucher sowie eine Unterversorgung mit Bitumen insbesondere für den Straßenbau». Auch die Belieferung des Berliner Flughafens mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme seien dann gefährdet.
Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist nach Unternehmensangaben Deutschlands größte Raffinerie. Gesellschafter sind demnach Phillips 66, Esso, Rosneft und Shell, der Standort hat 1100 Mitarbeiter, die aus Rohöl Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl herstellen, insgesamt rund 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Für den Südwesten Deutschlands ist MiRO nach eigener Darstellung die wichtigste Versorgungsquelle für Mineralölprodukte.
Die Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau nahe Ingolstadt stellt nach Angaben des Unternehmens Bayernoil unter anderem Flüssiggas, Benzin, Diesel und Heizöl her.
Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr gewesen sei. Zentrale Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, seien nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit gewesen - weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern RDG und RNRM selbst.
Hintergrund seien «Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung» der Unternehmen, wie das Wirtschaftsministerium im Eintrag zu dem Vorgang im Bundesanzeiger schreibt. Zudem wanderten Mitarbeiter ab. «Es ist in der gegenwärtigen Situation zu erwarten, dass zentrale Unternehmensbereiche nicht mehr besetzt werden können», schreibt das Ministerium.
Die PCK Raffinerie soll von russischem Öllieferungen gelöst werden, da diese jederzeit ausfallen könnten, so das Ministerium. Zur Umstellung auf andere Lieferanten sollen die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt ausgebaut werden. Darüber hinaus seien Öllieferungen über eine Pipeline vom Hafen des polnischen Danzig nötig, insbesondere bis die Pipeline aus Rostock ausgebaut ist. Dies wolle die polnische Regierung aber erst ermöglichen, wenn die russischen Gesellschafter nicht mehr im Boot sind.
Auch in der Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt wurde die Zusammenarbeit mit Dienstleistern laut Wirtschaftsministeriums zuletzt schwierig. Rosneft Deutschland habe zudem nicht die vereinbarten Mengen an Rohöl geliefert. «Die angespannte Versorgungslage mit Mineralölprodukten im süddeutschen Raum wird dadurch verschärft.»
Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz. Demnach ist dieser Schritt möglich, wenn das Unternehmen andernfalls seine dem Gemeinwesen dienenden Aufgaben nicht erfüllen kann und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Klage erhoben werden.