Kunststoff unter Strom
Sensoren und Orthesen sind mögliche Einsatzfelder
Stefan Pfeffer, Fraunhofer IPA
Im Forschungsprojekt »Elektronische Funktionsintegration in additiv gefertigte Bauteile« ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Zentrum für Additive Produktion am Fraunhofer IPA gelungen, mit einem 3D-Drucker induktive Näherungssensoren in beliebiger Form herzustellen. Allerdings musste der Druckprozess immer wieder unterbrochen werden, um die Leiterbahnen im Gehäuse zu verlegen.
In der zweiten Projektphase hat das Forschungsteam um Stefan Pfeffer deshalb zusammen mit dem Kunststoffmaschinenhersteller Arburg untersucht, welche leitfähigen Kunststoffe anstelle von Silber oder Kupfer zum Einsatz kommen könnten. Die Forscherinnen und Forscher experimentierten zu diesem Zweck mit verschiedenen thermoplastischen Elastomeren (TPE). Das sind flexible Kunststoffe, die sich unter Wärmeeinfluss verarbeiten lassen. Leitfähig sind TPE, wenn sie beispielsweise eine ausreichende Menge an Rußpartikeln enthalten. Zunächst fahndete das Forschungsteam nach demjenigen TPE mit dem geringsten elektrischen Widerstand. Denn je kleiner der Widerstand, desto mehr Anwendungsmöglichkeiten gibt es.
Thermoplastisches Elastomer im Härtetest
Das ausgewählte Material unterzogen Pfeffer und sein Team anschließend einer ganzen Reihe von Materialtests: Sie setzten es Hitze und Kälte aus, um zu prüfen, wie sich der elektrische Widerstand verändert. Sie leiteten Strom mit immer höherer Spannung hindurch, bis die Leiterbahnen durchschmorten. Sie dehnten das TPE, um herauszufinden, bis zu welchem Punkt es in seine ursprüngliche Form zurückfindet und wie die Leitfähigkeit unter Zug allmählich abnimmt. Sie ließen das Material künstlich altern, um zu sehen, wie sich das auf die Leitfähigkeit auswirkt. Und sie setzten es auf einem Flachdach ein Jahr lang Wind und Wetter aus, um herauszufinden, wie das TPE verwittert und wie sich seine Eigenschaften währenddessen verändern.
Gegenstand der Forschung war außerdem die Frage, welche Einstellungen am »freeformer«, dem industriellen additiven Fertigungssystem von Arburg, vorgenommen werden müssen, um den elektrischen Widerstand des Materials zu minimieren und ob die Druckrichtung (horizontal oder vertikal) einen Einfluss auf die Leitfähigkeit der gedruckten Bauteile hat.
Sensoren und Orthesen sind mögliche Einsatzfelder
Um seinen Zweck erfüllen zu können, muss das leitfähige TPE während des Drucks in einen anderen thermoplastischen Kunststoff mit isolierenden Eigenschaften eingebettet werden. Die Crux dabei: Die beiden Kunststoffe müssen aneinanderhaften – im Idealfall lassen sie sich danach nicht mehr trennen –, dürfen beim Druckprozess aber nicht verschmieren. Denn in einem solchen Fall gibt es keine klare Trennung mehr zwischen leitfähigem und isolierendem Material. Ein Kurzschluss droht. Geklärt hat das Forschungsteam um Pfeffer außerdem die Frage, wie sich elektronische Bauteile wie LEDs, Widerstände oder Mikrocontroller am besten einbauen und mit der gedruckten TPE-Leiterbahn kontaktieren lassen. Damit ist es nun möglich, das Gehäuse und die Elektronik, die es umschließt, in einem einzigen Arbeitsgang additiv zu fertigen.
»Leiterbahnen aus rußhaltigem TPE sind zwar kostengünstig in der Herstellung«, sagt Pfeffer, »allerdings werden sie gelötete Leiterbahnen wegen der insgesamt schlechteren Leitfähigkeit nicht ersetzen können.« Anwendungsmöglichkeiten gebe es dennoch einige. Denkbar seien beispielsweise kapazitive Sensoren wie Touch-Schalter oder Füllstandmesser. Aber auch Heizmatten oder Orthesen, die an bestimmten Stellen am Körper Wärme abgeben, um die Heilung zu unterstützen, seien möglich. »Man könnte auch die Sauggreifer von Robotern mit Leiterbahnen aus TPE ausstatten und so den Materialverschleiß überwachen. Je höher der Widerstand, desto abgenutzter der Greifer.«
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