Gekühlte Nanopartikel im Doppelpack
Vielfältige Möglichkeiten, um Quantenphänomene an solchen Partikeln zu studieren oder hochempfindliche Sensoren zu bauen
ETH Zürich / Vijayan Jayadev
In den letzten vierzig Jahren haben Physiker:innen gelernt, immer grössere Objekte auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abzukühlen: Atome, Moleküle und zuletzt auch Nanopartikel, die aus Milliarden von Atomen bestehen. Während man Atome allein mit Hilfe von Laserlicht kühlen kann, mussten Nanopartikel dazu bislang elektrisch geladen sein und zum optimalen Kühlen mit elektrischen Feldern manipuliert werden. Einem Team von ETH-Forschenden um Professor Lukas Novotny vom Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik haben nun eine Methode entwickelt, mit der mehrere Nanopartikel unabhängig von ihrer elektrischen Ladung eingefangen und auf wenige Milli-Kelvin abgekühlt werden können. Damit ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, um Quantenphänomene an solchen Partikeln zu studieren oder hochempfindliche Sensoren zu bauen.
Kühlung von neutralen Partikeln
«In unserer Forschungsgruppe haben wir über die letzten zehn Jahre das Kühlen von einzelnen elektrisch geladenen Nanopartikeln perfektioniert», sagt Jayadev Vijayan, Postdoktorand in Novotnys Labor und Erstautor der soeben im Fachjournal Nature Nanotechnology erschienenen Arbeit. «Mit der neuen Methode, die auch für elektrisch neutrale Objekte funktioniert, können wir nun zudem erstmals mehrere Partikel zugleich kühlen, was ganz neue Perspektiven für die Forschung eröffnet.»
In ihren Experimenten fingen die Forschenden ein knapp 200 Nanometer grosses Glaskügelchen mit Hilfe eines stark gebündelten Laserstrahls, auch optische Pinzette genannt, in einem Vakuumapparat ein. In der optischen Pinzette schwingt das Kügelchen aufgrund seiner Bewegungsenergie hin und her. Je höher die Temperatur des Teilchens, desto höher auch seine Bewegungsenergie und damit die Schwingungsamplitude. Wie stark und in welche Richtung das Kügelchen in einem bestimmten Moment in der optischen Pinzette schwingt, kann mit einem Lichtdetektor gemessen werden, der das vom Kügelchen gestreute Laserlicht einfängt.
Abbremsen durch Schütteln
Diese Informationen nutzen Novotny und seine Mitarbeiter dann, um das Nanopartikel abzubremsen und somit zu kühlen. Dazu wird die optische Pinzette mittels eines elektronisch gesteuerten Deflektors, der die Richtung des Laserstrahls und damit die Position der Pinzette leicht verändert, genau im Gegentakt zur Schwingung des Kügelchens geschüttelt. Bewegt es sich nach links, so wird die Pinzette schnell nach rechts verschoben, um der Bewegung des Kügelchens entgegenzuwirken; bewegt es sich nach rechts, verschiebt der Deflektor die Pinzette nach links. Nach und nach verringert sich so die Schwingungsamplitude des Nanopartikels und damit seine effektive Temperatur – bis auf wenige Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius.
Um nun zwei Nanopartikel gleichzeitig abzukühlen, bedienen sich die Forschenden eines Tricks. Die beiden optischen Pinzetten, in denen sie die Kügelchen einfangen, werden so eingestellt, dass die Schwingungsfrequenzen der Partikel leicht verschieden sind. Dadurch können mit demselben Lichtdetektor die Bewegungen der beiden Kügelchen voneinander unterschieden und die Abkühl-Strategien separat auf die beiden Pinzetten angewendet werden.
Erweiterung auf mehrere Nanopartikel
«Dieses gleichzeitige Abkühlen kann problemlos auf mehrere Nanopartikel erweitert werden», erklärt Vijayan: «Da wir die Positionen der Partikel vollständig kontrollieren, können wir die Wechselwirkung zwischen ihnen beliebig einstellen und so in Zukunft Quanteneffekte mehrerer solcher Partikel studieren, wie zum Beispiel die Verschränkung.» Im Zustand der Verschränkung beeinflusst eine Messung an einem Teilchen den Quantenzustand des anderen augenblicklich, ohne dass die beiden Teilchen dabei in direktem Kontakt stehen. Bisher wurden solche Zustände hauptsächlich mit Photonen oder einzelnen Atomen realisiert. Vijayan hofft, mit der neuen Methode eines Tages verschränkte Zustände auch mit den viel grösseren Nanopartikeln herzustellen.
Dass die Nanopartikel elektrisch neutral sein können, hat noch weitere Vorteile, unter anderem bei der Entwicklung extrem empfindlicher Sensoren. Bei der Messung sehr schwacher Gravitationskräfte zwischen Objekten oder bei der Suche nach der hypothetischen dunklen Materie möchte man andere Kräfte soweit wie möglich ausschalten – und das sind meistens elektrostatische Kräfte zwischen geladenen Teilchen. Die Methode der ETH-Forschenden verspricht daher auch hier neue Erkenntnisse.
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